Der rechtliche Rahmen der Forderungsanmeldung

Nach § 174 Abs. 1 InsO haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt (§ 174 Abs. 2 InsO). Der Begriff des Grundes der Forderung entspricht demjenigen in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, bezeichnet also den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt. Welchen Anforderungen der in § 174 Abs. 2 InsO verlangte Tatsachenvortrag genügen muss, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Soweit die Anmeldung Grundlage der Teilnahme am Insolvenzverfahren ist, hat der Gläubiger nach gefestigter Rechtsprechung des BGH einen Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem – nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden – Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt (BGH NZI 2013, 388).

Strenge Anforderungen gelten immer …

Wenn und soweit die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zum Grund des angemeldeten Anspruchs gehört, gelten die vorstehenden Ausführungen auch für sie.

… wenn nicht nur ein Annex betroffen ist

Welche Darlegungsanforderungen dagegen in denjenigen Fällen gelten, in denen die Kennzeichnung der Forderung als auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhend nur im Hinblick auf die spätere Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) Bedeutung erlangt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.

Teils wird die schlichte, etwa im Ankreuzen des im Anmeldeformular hierfür vorgesehenen Kästchens liegende Behauptung des Gläubigers, die Forderung stamme aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, für ausreichend gehalten (Mäusezahl, ZInsO 2002, 462 ff.).
Nach anderer Ansicht reicht es aus, den nach Ansicht des Gläubigers maßgeblichen ­Vorgang hinreichend zu individualisieren (Kolbe, Deliktische Forderungen und Restschuldbefreiung, S. 45; Gaul, in: Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, 2005, S. 193, 199).
Mehrheitlich wird Tatsachenvortrag verlangt, der eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung als "plausibel" (AG Strausberg DGVZ 2004, 159; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl., § 302 Rn 11; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 174 Rn 54; Pape/Schaltke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 184 Rn 58; FK-InsO/Ahrens, 7. Aufl., § 302 Rn 15; wohl auch Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 302 Rn 15) erscheinen lässt oder sogar schlüssig darlegt (AG Köln ZVI 2013, 150). Was sich hinter den Begriffen "individualisierbar", "plausibel" oder "schlüssig" verbirgt, ist nicht eindeutig.

Der BGH positioniert sich

Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist wirksam angemeldet, wenn der geltend gemachte Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft. Eines Vortrags, der sämtliche objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale der behaupteten unerlaubten Handlung ausfüllt, bedarf es nicht.

Der Wortlaut der Vorschrift des § 174 Abs. 2 InsO ist unklar. Der Gläubiger hat bei der Anmeldung seiner Forderung diejenigen Tatsachen anzugeben, aus denen sich "seiner Einschätzung nach" ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich allerdings der Beweggrund für die Anmeldepflicht als solcher. Der Schuldner soll frühzeitig einschätzen können, ob er sich im Hinblick auf die angemeldete, nicht der Restschuldbefreiung unterfallende Forderung dem Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung überhaupt unterwerfen will.
Der Schuldner bedarf des in einer ausführlichen Begründung liegenden Schutzes nicht. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses wurde im Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 neben § 174 Abs. 2 InsO und § 302 Nr. 1 InsO auch § 175 InsO geändert. Nach § 175 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat. Es reicht daher aus, wenn der Schuldner weiß, um welche Forderung es geht und welches Verhalten ihm als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorgeworfen wird.
Weil der Widerspruch nicht begründet werden muss, braucht dem Schuldner in dieser Phase des Verfahrens nicht die Möglichkeit eröffnet zu werden, den Vortrag des Gläubigers gezielt anzugreifen. Erst in einem sich anschließenden Klageverfahren (§ 184 InsO), in welchem Gläubiger und Schuldner über den Grund der angemeldeten Forderung streiten, muss der Gläubiger den behaupteten Rechtsgrund nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses darlegen und gegebenenfalls beweisen. Das Erfordernis der qualifizierten Anmeldung gemäß § 174 Abs. 2 InsO dient nicht dazu, dem Schuldner das Prozessrisiko des...

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