BGH: kein Verfahrensfehler beim Erlass des PfÜB

Die Schuldnerin hat keine im Verfahren nach § 766 ZPO zu berücksichtigenden Anträge, Einwendungen oder Erinnerungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung vorgebracht, nach denen der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht hätte erlassen werden dürfen.

Eine gem. § 726 Abs. 1 ZPO erforderliche qualifizierte Vollstreckungsklausel musste schon deshalb nicht erteilt werden, weil der KFB nicht von einer Bedingung abhing.

Einwendungen sind auch unerheblich

Wegen der im Vergleich titulierten Zahlungsansprüche kommt es für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des PfÜB nicht darauf an, ob die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs statt mit der unstreitig nach § 725 ZPO erteilten Klausel mit einer qualifizierten Vollstreckungsklausel gem. § 726 Abs. 1 ZPO hätte versehen werden müssen. Denn die in Rede stehende Vollstreckungsmaßnahme war selbst dann nicht rechtswidrig im Sinne des § 766 ZPO, wenn ihre Zahlungsverpflichtungen nach dem Vergleich von Vorleistungen der Gläubigerin abhängig waren, deren Erfüllung diese gem. § 726 Abs. 1 ZPO vor der Erteilung einer entsprechenden Vollstreckungsklausel durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden hätte beweisen müssen.

Welche Wirkung hat die vom UdG falsch erteilte Klausel: Unwirksamkeit …

In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, dass eine Vollstreckungsklausel, die entgegen § 726 Abs. 1 ZPO, § 20 Nr. 12 RPflG nicht vom Rechtspfleger, sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. 2 ZPO) erteilt wird, unwirksam ist und – was bei der Vollstreckung zu berücksichtigen wäre – nicht Grundlage für eine ordnungsgemäße Vollstreckung sein kann (OLG Hamm MDR 1987, 682; KG JurBüro 1999, 601, 602; OLG München JurBüro 2001, 438, 439; LG Detmold Rpfleger 1996, 19; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 726 Rn 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., § 724 Rn 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 726 Rn 3; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Aufl., Rn 106).

… oder nur Anfechtbarkeit?

Nach der Gegenmeinung ist eine solche Klausel zwar fehlerhaft und anfechtbar, nicht aber unwirksam (OLG Zweibrücken MDR 1997, 593; OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; LG Kassel JurBüro 1986, 1255; AG Oldenburg DGVZ 1989, 142; Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 726 Rn 4; Schuschke/Walker, ZPO, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 Rn 18; MüKoZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 724 Rn 15). Die Vollstreckung aufgrund einer in diesem Sinne fehlerhaften Klausel sei bis zu ihrer Beseitigung deshalb rechtmäßig und könne nicht im Verfahren nach § 766 ZPO angefochten werden. Einwendungen des Schuldners, welche die materielle Zulässigkeit der erteilten Klausel betreffen, seien vielmehr im Wege der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend zu machen (OLG Hamm FamRZ 1981, 199, 200; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Frankfurt JurBüro 1976, 1122; Schuschke/Walker, a.a.O.).

Der BGH hat diese Frage bisher offen gelassen und lediglich im Rahmen eines Klauselerinnerungsverfahrens die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage einer vom funktional unzuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig gehalten (BGH NJW 2006, 776; vgl. auch BAG NJW 2004, 701). Der Senat hält die zuletzt genannte Auffassung für zutreffend.

BGH entscheidet die Streitfrage

Der UdG prüft, ob er oder der Rechtspfleger für die Erteilung der Klausel zuständig ist. Gelangt er zum objektiv falschen Ergebnis und erteilt er zu Unrecht eine einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO, so liegt darin eine fehlerhafte Ausübung der ihm nach dem Gesetz übertragenen Aufgaben. Dieser Fehler betrifft die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel, die grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsorgans gestellt ist. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte (OLG Frankfurt JurBüro 1976, 1122; OLG Hamm FamRZ 1981, 199; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 724 Rn 14). Deshalb ist es insbesondere nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen.

Einschlägig ist die ­Klauselerinnerung

Über dahingehende Einwendungen des Schuldners gegen die in der Klausel bezeugten sachlichen Erfordernisse der Vollstreckung des Titels entscheidet gem. § 732 ZPO vielmehr dasjenige Gericht, dessen Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel erteilt hat. Sie sind der Nachprüfung durch das Vollstreckungsorgan entzogen und können deshalb auch nicht im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO vor dem Vollstreckungsgericht und dem ihm übergeordneten Beschwerdegericht geltend gemacht werden.

Auch kein Ausnahmefall

Der von der Schuldnerin geltend gemachte Fehler bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel ist nicht derart schwerwieg...

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