Wer Angst hat …

Ein "Praxistipp" verbietet sich an dieser Stelle. Trotzdem sollte die Entscheidung in der FoVo nicht fehlen, denn sie zeigt, in welcher Situation sich einzelne Gerichtsvollzieher gegenüber dem Schuldner sehen. Die Auswirkung für den Gläubiger: Wer Angst vor der Situation, wer Angst vor dem Schuldner hat, kann die Rechte des Gläubigers nicht wirksam durchsetzen. Wäre die Situation tatsächlich so, dass Zwangsvollstreckung nur noch mit der Waffe möglich ist, wäre die Zwangsvollstreckung am Ende. So obliegt es dem Gesetzgeber und der Exekutive, durch einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen und durch eine hinreichende Aus- und Fortbildung der handelnden Person sicherzustellen, dass einerseits dem berechtigten Beitreibungsanspruch des Gläubigers Rechnung getragen wird, andererseits das verfassungsrechtlich vorgegebene Schutzniveau für den Schuldner gewahrt bleibt. Ist dies der Fall, besteht kein Anlass für gewalttätige Situationen. Undenkbar, dass eine zivilrechtliche Forderungsbeitreibung mit Waffengewalt gelöst werden muss. Hier gilt: Der Klügere gibt nach!

Was ist zu tun?

Der Sachverhalt zeigt aber auch, dass Gerichtsvollzieher darin ausgebildet werden müssen, ihrer Natur nach konfrontative – was nicht gleichzusetzen ist mit "gewaltgeladene" – Situationen deeskalierend aufzulösen. Sie müssen dem Schuldner begreiflich machen, dass der Gläubiger einen grundsätzlichen Zahlungsanspruch hat, ohne dass ihre eigene Situation dabei außer Betracht bleibt. Es muss ihnen gelingen, die Leistungsfähigkeit des Schuldners zu hinterfragen und die nur partiell vorhandene Leistungsfähigkeit in eine Vereinbarung nach § 806b ZPO, d.h. eine Ratenzahlungsvereinbarung zu gießen. Soweit der Gerichtsvollzieher den Schuldner nicht als leistungsfähig erachtet, muss er es als seine Aufgabe betrachten, dies dem Gläubiger begründet zu vermitteln. Leider bleiben Gerichtsvollzieherprotokolle gerade hier häufig formelhaft, so dass der Gläubiger sich veranlasst sieht, die Leistungsfähigkeit durch weitere Maßnahmen zu hinterfragen. Da dem Gläubiger dieses Recht nicht abgesprochen werden kann, erhöht sich die Forderung gegen den Schuldner permanent. Das empfindet der Schuldner als ungerecht, ohne die Kompetenz aufzubringen, mit dem Gläubiger eine Einigung zu suchen, auch wenn sie nur darin liegt, dem Gläubiger glaubhaft die mangelnde Leistungsfähigkeit darzulegen (Selbstauskunft). Hier können die Gerichtsvollzieher eine Mittlerrolle einnehmen, die Schuldner wie Gläubiger gleichermaßen dient.

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