I. Das Problem

Der Titelgläubiger verstirbt

Unser ursprünglicher Mandant, der Erblasser, hat als Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner über eine Gesamtforderung von aktuell 5.679,18 EUR erwirkt. In der Folge wurde auch mehrfach die Vollstreckung – jeweils erfolglos – betrieben. Allerdings ist eine Lohnpfändung ausgebracht worden, die nunmehr – nach Jahren – einen pfändbaren Betrag ergibt, weil der Schuldner seine Wochenarbeitszeit aufgestockt hat.

Der Gläubiger ist inzwischen verstorben und von seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern beerbt worden. Wir fragen uns nun, wie wir den pfändbaren Betrag realisieren können.

II. Die Lösung

Allgemeine Voraussetzung der Vollstreckung fehlt (noch)

Nach § 750 Abs. 1 ZPO müssen der Vollstreckungsschuldner und der betreibende Gläubiger in dem Titel, aus dem die Vollstreckung erfolgen soll, namentlich bezeichnet sein. Daran fehlt es im Fall der Rechtsnachfolge, wie sie hier durch den Erbfall begründet wurde. Nach § 1922 BGB treten die Erben als Gesamtrechtsnachfolger in die Stellung des Erben ein.

Der Rechtsnachfolger des im Vollstreckungstitel (noch) benannten Gläubigers benötigt daher eine vollstreckbare Ausfertigung, deren Klausel ihn nach § 727 ZPO als neuen Gläubiger ausweist. Diese Klausel und die ihrer Erteilung zugrunde liegenden Urkunden müssen dem Schuldner gemäß § 750 Abs. 2 ZPO zugestellt werden.

 

Hinweis

Das gilt über den Wortlaut von § 750 Abs. 1 ZPO hinaus nicht nur für den Beginn der Zwangsvollstreckung, sondern mit Ausnahme des in § 779 ZPO geregelten Falles auch während der Dauer des Verfahrens (vgl. BGH WM 1963, 754, 756; BSG, Beschl. v. 25.8.1987 – 11a BA 26/87; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – V ZB 47/06).

Gesamtrechtsnachfolger tritt in die Pfändung ein

Die notwendige Umschreibung des Vollstreckungstitels und dessen förmliche Zustellung sind auch dann geboten, wenn die Rechtsnachfolge während des Vollstreckungsverfahrens – hier der fortdauernden Lohnpfändung – eintritt. Auch in diesem Fall muss der Schuldner die Möglichkeit haben, die Voraussetzungen der Rechtsnachfolge zu überprüfen und seine Einwendungen in den dafür vorgesehenen Verfahren nach § 732 ZPO oder § 768 ZPO geltend zu machen. Allein die Zustellung der dem Rechtsnachfolger erteilten Vollstreckungsklausel gewährleistet, dass der Schuldner von der Rechtsnachfolge erfährt und Gelegenheit erhält, persönliche Einwendungen gegen den neuen Gläubiger geltend zu machen (BGH NJW 2007, 3357, Rn 13 – zitiert nach juris). Der BGH hat in der genannten Entscheidung die Grundsätze für das weitere Verfahren festgelegt.

Die Grundsätze der Verfahrensfortführung nach dem BGH

Die Zwangsvollstreckung durch einen Gesamtrechtsnachfolger beginnt nicht erst mit einer Handlung des Rechtsnachfolgers. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt mit dem Ausscheiden des Titelgläubigers aus dem Verfahren in dieses in dem Stand ein, den das Verfahren bei dem Ausscheiden des Titelgläubigers erreicht hat. Die von dem Titelgläubiger erwirkten Handlungen des Vollstreckungsgerichts wirken für den Gesamtrechtsnachfolger fort. Das Verfahren wird von diesem weitergeführt. Der Schuldner ist gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger des Titelgläubigers nicht weniger schützenswert als gegenüber einem Einzelrechtsnachfolger. Er hat die Zwangsvollstreckung nur hinzunehmen, wenn die Berechtigung zur Zwangsvollstreckung des nicht in dem Titel benannten Gläubigers durch die Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Rechtsnachfolger nachgewiesen worden und ihm die Rechtsnachfolgeklausel zugestellt worden ist. Ansonsten fehlte es an der zur Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung grundsätzlich notwendigen Gewähr dafür, dass der Schuldner in jeder Lage des Verfahrens den betreibenden Gläubiger kennt und wenigstens formell sichergestellt ist, dass er sich an diesen wenden kann. Der Nachweis der Rechtsnachfolge und die Zustellung der Rechtsnachfolgeklausel sind daher Voraussetzung jeder weiteren Maßnahme des Vollstreckungsgerichts gegen den Schuldner und nicht erst dann notwendig, wenn der Rechtsnachfolger des Titelgläubigers durch einen Antrag auf das Verfahren einwirkt (BGH a.a.O., Rn 14 – zitiert nach juris).

Umschreibung nach § 727 ZPO initiieren

Im geschilderten Fall ist es also notwendig, schnellstmöglich die Titelumschreibung nach § 727 ZPO anzustoßen. Dafür muss die Erbenstellung nach § 727 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden, wenn sie nicht offenkundig im Sinne von gerichtsbekannt ist, etwa wenn derselbe Rechtspfleger als Nachlassgericht die letztwillige Verfügung eröffnet hat oder vom Schuldner auf eine Anhörung nach § 730 ZPO ausdrücklich zugestanden wird. Am einfachsten ist dies natürlich zu bewerkstelligen, wenn ein Erbschein vorliegt.

 

Hinweis

Die Kosten der Titelumschreibung muss der Schuldner tragen. Insoweit kann es in der Praxis sinnvoll sein, den Schuldner anzuschreiben, ihm die Rechtsnachfolge anzuzeigen und ihn zur Vermeidung weiterer Kosten zur Vollzahlung aufzufordern. Die im Fall angezeigte Verbesserung seiner wirt...

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