Informationsmanagement Arbeit

Der Antrag der Schuldnerin ist zunächst vor dem Hintergrund des Informationsmanagements des Gläubigers interessant. Sie offenbart damit, dass sie über Arbeitseinkommen verfügt und wo der Arbeitsgeber sich befindet. Soweit sie dies nicht weiter konkretisieren sollte, ist im Antragsverfahren genau darauf zu dringen. Sodann ist zu prüfen, ob das Arbeitseinkommen bereits an der Quelle gepfändet wurde, um dies ggf. nachzuholen. Die Auswertung der Lohnabrechnung kann zu weiteren Erkenntnissen führen, etwa zur Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen.

Informationsmanagement Steuer

Des Weiteren kann aus den Angaben der Schuldnerin geschlossen werden, dass sie voraussichtlich einen Steuererstattungsanspruch hat. Bei der Steuererklärung berücksichtigt das Finanzamt von sich aus einen Werbungskostenfreibetrag von 1.000 EUR. Bei einer Entfernung der Arbeit vom Wohnort von 32 km ergeben sich bei 220 Arbeitstagen im Jahr aber Werbungskosten von 32 km x 220 Arbeitstage x 0,30 EUR = 2.112 EUR, mithin ein den Freibetrag um 1.112 EUR übersteigender Aufwand. Deshalb kommt auch die Pfändung des Steuererstattungsanspruches in Betracht. Nach § 46 AO kann frühestens am 1.1.2016 der Anspruch für 2015 und alle früheren Jahre gepfändet werden. Im Formular ist der Abschnitt C anzukreuzen und auszufüllen.

Die rechtliche Grundlage des Antrages

Das Amtsgericht lässt nicht erkennen, auf welcher rechtlichen Grundlage es seinen Obersatz bildet und die Prüfung durchführt. Insoweit entscheidet es im Ergebnis richtig, in der Begründung aber falsch. Die Schuldnerin konnte hier einen Antrag auf Erhöhung des Freibetrages um die Fahrtkosten nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO stellen. Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner in entsprechender Anwendung von § 850f Abs. 1 ZPO danach auf Antrag von dem nach § 850k pfändbaren Teil des Guthabens einen Teil belassen, wenn besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen dies erfordern und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen. Wesentlich sind also nicht "außergewöhnliche Kosten", sondern "besondere Bedürfnisse".

Wann hat der Schuldner "besondere Bedürfnisse"?

Aus beruflichen Gründen können besondere Mehraufwendungen für Ausbildung (vgl. für Referendare OLG Braunschweig NJW 1955, 1599) und Berufstätigkeit Berücksichtigung finden, soweit sie nicht schon durch zusätzliche oder erhöhte Bezüge nach § 850a Nr. 3 abgegolten sind, z.B. erhöhte Aufwendungen für Arbeitskleidung, Mehrkosten für weite Anfahrt zur Arbeitsstätte (LG Bochum Rpfleger 1998, 531; LG Bonn JurBüro 2009, 550; LG Marburg JurBüro 1999, 661; LG Halle Rpfleger 2000, 285), für Telefon (LG Berlin Rpfleger 1962, 217) oder für einen Arbeitsraum (vgl. zu allem Stöber, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 850f ZPO Rn 4). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Aufwendung nicht schon im Freibetrag nach § 850c ZPO Berücksichtigung gefunden hat, dem ebenso ein Warenkorb zugrunde liegt.

Wie hoch ist der Schuldner tatsächlich belastet?

Zunächst ist einmal festzustellen, welchen Aufwand die Schuldnerin für die Fahrtkosten tatsächlich hat. Bei 32 km für eine Fahrtstrecke und 220 Arbeitstagen müssen 14.080 km zurückgelegt werden. Bei etwa 7 Litern pro 100 km Verbrauch ergeben sich 985,60 Liter, die mit durchschnittlich 1,40 EUR/l zu einem Gesamtaufwand von 1.379,84 EUR jährlich oder 114,99 EUR monatlich führen. Davon in Abzug zu bringen ist der Steuervorteil durch die hohen Fahrt- und damit Werbungskosten. Das kann nur anhand des konkreten Steuersatzes festgestellt werden. Die Anschaffungskosten des Pkw etc. sind nicht zu berücksichtigen, da es sich um Sowieso-Kosten handelt.

 

Hinweis

Die Darlegungs- und Beweislast für die "besonderen Bedürfnisse" liegen beim Schuldner. Die tatsächlichen Grundlagen muss er also dem Gericht unterbreiten. Dazu gehört auch die Darlegung des individuellen Steuersatzes und der Höhe des zu versteuernden Arbeitseinkommens, so dass die Steuerersparnis konkret berechnet werden kann.

Und was ist schon berücksichtigt?

Im Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO ist an besonderen Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit bereits ein Betrag von rund 100 EUR enthalten, der auch die Fahrtkosten berücksichtigt (vgl. LG Bonn JurBüro 2009, 550). Unter Berücksichtigung des möglichen steuerlichen Freibetrages ergeben sich damit im konkreten Fall also keine besonderen Bedürfnisse, die eine Anhebung des Pfändungsfreibetrages rechtfertigen.

FoVo 12/2015, S. 236 - 238

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