Verfügt der Schuldner über eine Lebensversicherung, so kann der Gläubiger die sich aus dem Vertrag ergebenden Ansprüche, insbesondere den Anspruch auf den Kapitalbetrag bei Fälligkeit sowie den Anspruch auf Kündigung und Realisierung des Rückkaufwertes pfänden. Damit ist es allerdings nicht getan. Unmittelbar nach der Pfändung muss der Gläubiger weitere Sofortmaßnahmen einleiten. Der nachfolgende Beitrag soll dies an einem Beispiel für den Gläubiger und die beteiligte Versicherungsgesellschaft (VR) aufzeigen und bietet Ihnen die dann erforderlichen Arbeitshilfen.

 

Ein exemplarischer Fall: OLG Zweibrücken vom 14.4.2010 (1 U 183/09)

Die Klägerin begehrt die Auszahlung einer Kapitallebensversicherung in Höhe von 154.618,10 EUR nebst Zinsen an ihre drei Kinder. 1982 schloss der Ehemann der Klägerin als Versicherungsnehmer (VN) bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung mit einer Laufzeit bis 1.1.2008 ab. 1999 setzte er die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Bezugsberechtigte ein. Das zunächst unwiderrufliche Bezugsrecht änderte der VN 2004 mit Zustimmung der inzwischen volljährigen Kinder in ein widerrufliches Bezugsrecht.

Die Gläubigerin – am Prozess als Streithelferin der Beklagten beteiligt – erwirkte am 29.11.2007 wegen einer Hauptforderung von 179.000,00 EUR einen am 10.12.2007 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB), nach dem der Anspruch des VN als Schuldner aus der Lebensversicherung gepfändet und die gepfändeten Beträge auf ein angegebenes Konto überwiesen werden sollen. In einer Anlage zum Antrag auf Erlass des PfÜB heißt es weiter: "Gepfändet sind, solange bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist, die Ansprüche und Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Auszahlung der Versicherungssumme, Widerruf der Bezugsberechtigung oder zur Benennung eines anderen Bezugsberechtigten anstelle der bisherigen Bezugsberechtigten sowie auf Kündigung des oder der Versicherungsverträge …"

Am 11.12.2007 gab die Beklagte gegenüber der Streithelferin eine Drittschuldnererklärung ab. Das Bezugsrecht der Kinder des Versicherungsnehmers erwähnte sie nicht. Mit Schreiben vom 17.12.2007 focht der VN die 2004 erfolgte Umwandlung des unwiderruflichen Bezugsrechts an. Gleichzeitig verlangte er die Auszahlung der Kapitallebensversicherung an die Klägerin, der er – was streitig ist – im Sommer 2007 in einem ihm vom VR übergebenen Formular "das Bezugsrecht abgetreten" haben soll. Nachdem die Streithelferin am 10.01.2008 von der Beklagten gleichfalls die Auszahlung der Kapitalversicherung begehrte, stellte die Beklagte zunächst die Hinterlegung des Betrages in Aussicht. Im April 2008 zahlte sie die Summe an die Streithelferin aus.

Die Klägerin begehrt, von den bezugsberechtigten Kindern ermächtigt, nunmehr im Klagewege die Auszahlung der Versicherungssumme. Das LG hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des VR. Die Rechtsverteidigung des VR bleibt auch vor dem OLG erfolglos.

 

So hat das OLG entschieden

Ein eigenes unwiderrufliches Bezugsrecht hatte die Klägerin nicht bewiesen. Sie konnte nämlich nicht nachweisen, dass ein solches Bestimmungsschreiben bei dem VR eingegangen ist (vgl. § 12 Abs. 1 AVB).

Für den Hauptantrag der Klägerin auf Auszahlung des Lebensversicherungskapitals kommt es darauf an, ob deren 1999 begründetes, seit 2004 widerrufliches Bezugsrecht zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs am 1.1.2008 bestanden hat oder ob es durch den von der Streithelferin erwirkten PfÜB widerrufen worden ist. Die vom VN erklärte Anfechtung der im Jahre 2004 erfolgten "Umwandlung des widerruflichen Bezugsrechts in ein widerrufliches Bezugsrecht wegen Erklärungsirrtums" ist schon wegen offensichtlicher Verspätung unbeachtlich. Nach § 121 Abs. 1 BGB hätte die Anfechtung der Erklärung aus 2004 "ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich)" erfolgen müssen. Das ist nicht geschehen. Eine plausible Begründung der Klägerin dafür, warum dem VN die Anfechtung wegen Erklärungsirrtums ohne Verschulden erst Ende 2007 möglich gewesen sein soll, fehlt.

Ob allein die Zustellung eines die Forderung des VN aus der Kapitallebensversicherung sowie die Nebenrechte auf Kündigung und Bestimmung des Bezugsberechtigten (vgl. § 13 Abs. 1 AVB) erfassenden PfÜB eine Änderung des widerruflichen Bezugsrechts eines Dritten bewirkt oder ob der Gläubiger nach Pfändung und Überweisung eine solche Erklärung gesondert gegenüber dem Lebensversicherer abgeben muss, ist umstritten (vgl. einerseits OLG Köln VersR 2002, 1544 und andererseits OLG Dresden OLGR Dresden 2007, 773).

Der Senat ist der Auffassung, dass vorliegend allein die Zustellung des PfÜB eine Änderung des widerruflichen Bezugsrechts nicht bewirkt hat. Da bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages kein Widerruf erfolgt ist, steht die Versicherungsleistung den bezugsberechtigten Abkömmlingen des VN zu gleichen Teilen zu, ohne durch das Pfandrecht beschränkt zu sein (vgl. RGZ 127, 269; Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, § 13 ALB, Rn 250; Ha...

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