Leitsatz

1. Ein Vollstreckungsschuldner verfügt nur dann über das Pfändungsschutzkonto, wenn er die kontoführende Bank anweist, einen Zahlungsvorgang auszulösen, und diese den beauftragten Zahlungsvorgang ausführt. Der vergebliche Versuch einer Barabhebung stellt keine Verfügung über den Freibetrag dar.

2. Verfügungen, die der Schuldner über sein pfandfreies Guthaben trifft, sind zunächst auf das übertragene Restguthaben aus dem Vormonat anzurechnen und erst nach dessen Erschöpfung auf den neuen Sockelfreibetrag des aktuellen Monats (First-in-first-out-Prinzip). Eine weitere Übertragung findet nicht statt.

BGH, Beschl. v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17

1 I. Der Fall

Gepfändetes P-Konto

Die Klägerin ist eine Bank, die für den Schuldner ein P-Konto führte, auf das die Gläubigerin im Wege der Forderungspfändung zugegriffen hatte. Sie führte für D. (künftig: Schuldnerin) ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO. Das P-Konto wurde auf Guthabenbasis geführt.

Irrtümlich verweigerte Auszahlung

Die Schuldnerin hatte eine Einmalleistung vom Jobcenter von 1.496 EUR zu erhalten, die auf dem P-Konto einging und für die sie der Bank eine Befreiungsbescheinigung nach § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO vorlegte. Die Schaltermitarbeiterin verweigerte jedoch irrtümlich die Auszahlung unter Hinweis auf die erfolgte Pfändung. Im Anschluss überwies die Bank Teilbeträge von 790 EUR an die Drittschuldnerin. Auf die Beanstandung der Schuldnerin wurde ihr der Betrag wieder gutgeschrieben.

Rückzahlungsverlangen erfolglos

Die Bank verlangt nun die Auszahlungen von der Drittschuldnerin als rechtsgrundlos zurück. Diese verweigerte die Rückzahlung. AG und LG haben Klage und Berufung zurückgewiesen.

2 II. Aus der Entscheidung

BGH verneint Bereicherungsanspruch

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus Bereicherungsrecht keinen Anspruch auf Rückzahlung der ausgekehrten Beträge. Bei den Teilzahlungen handelt es sich allerdings um Leistungen der Klägerin an die Beklagte im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und S. 2 BGB. Die Klägerin hat die Zahlungen nicht nur auf ihre Vertragsbeziehung mit der Schuldnerin erbracht, sondern vor allem auch, um dem durch die Pfändung begründeten Einziehungsrecht der Beklagten Rechnung zu tragen. Deshalb besteht ein Leistungsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten (BGH NJW 2002, 2871).

Rechtsgrund fehlt nur bei fehlendem Guthaben

Die Klägerin hat die Zahlungen aber nicht ohne einen Rechtsgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB an die Beklagte erbracht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein Einziehungsrecht der Beklagten an dem Guthaben auf dem Konto der Schuldnerin nicht bestanden hätte. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Drittschuldnerin einen Geldbetrag an die Vollstreckungsgläubigerin auszahlt, obwohl auf dem Konto der Vollstreckungsschuldnerin kein Guthaben besteht oder sie bei mehrfacher Forderungspfändung irrtümlich an einen nachrangigen Vollstreckungsgläubiger zahlt und deshalb nochmals an den vorrangigen Gläubiger zahlen muss (BGH NJW 1982, 173). Entsprechendes gilt, wenn es zur Auszahlung eines Guthabens von einem Pfändungsschutzkonto kommt, obwohl dieses Guthaben nach § 850k ZPO nicht von der Pfändung erfasst war.

Hier: Es bestand ein Einziehungsrecht

Demgegenüber bestand zum Zeitpunkt der Auszahlung der Geldbeträge an die Beklagte ein dieser zustehendes Pfand- und Einziehungsrecht, so dass die Auszahlungen an sie mit Rechtsgrund erfolgten. Die Beklagte hat sämtliche – auch künftige – Forderungen der Schuldnerin, die dieser aus dem Girovertrag gegen die Klägerin zustanden, wirksam gepfän det. Da der Beklagten die Forderungen auch zur Einziehung überwiesen waren, war sie ermächtigt (§ 835 Abs. 1 ZPO), die Forderungen der Schuldnerin gegen die Klägerin auf Auszahlung der Tagessalden geltend zu machen, soweit diese Ansprüche nicht dem Pfändungsschutz des § 850k ZPO unterfielen.

Es bestand auch kein Pfändungsschutz

Im Streitfall bestand kein Pfändungsschutz an den ausgezahlten Beträgen mehr. Soweit der Schuldner in einem Kalendermonat nicht über das Guthaben in Höhe des nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO pfändungsfreien Betrages verfügt, wird dieses Guthaben gemäß § 850k Abs. 1 S. 3, § 850k Abs. 2 Satz 2 ZPO in dem folgenden Kalendermonat zusätzlich zu dem nach § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO für diesen Monat geschützten Guthaben nicht von der Pfändung erfasst, erhöht also den für diesen Monat geltenden Sockelfreibetrag um den Ansparübertrag. Wird über das in einem Kalendermonat von der Pfändung freigestellte und in den Folgemonat pfändungsfrei übertragene Guthaben auch in diesem Monat nicht verfügt, so unterfällt es am Ende des Kalendermonats der Pfändung. Vor diesem Hintergrund kann der Schuldner auf dem Pfändungsschutzkonto ständig ein Guthaben in Höhe des doppelten Sockelfreibetrags unterhalten. Verfügungen, die der Schuldner über sein pfandfreies Guthaben trifft, sind zunächst auf das übertragene Restguthaben aus dem Vormonat anzurechnen und erst nach dessen Erschöpfung auf den neuen Sockelfreibetrag des aktuellen Monats (First-in-first-out-Prinzip).

Keine Mehrfachübertragung eines Ans...

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