Leitsatz

1. Bei der Corona-Überbrückungshilfe III (Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB nicht pfändbare Forderung.

2. Die Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III setzt sich nach deren Überweisung nicht an der Gutschrift auf einem regulären Girokonto des Schuldners fort. Ist der Schuldner eine juristische Person, kann er sich insoweit nicht auf eine entsprechende Anwendung der für ein Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO geltenden Schutzvorschriften berufen; ihm steht lediglich im Einzelfall bei einer gegen die guten Sitten verstoßenden unzumutbaren Härte Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO zu.

BGH, Beschl. v. 16.8.2023 – VII ZB 64/21

1 Der Fall

Zwangsvollstreckung ins Konto

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin, eine GmbH, die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung in Höhe von 567.083,33 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten. Die Gläubigerin pfändete die Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung der zu ihren Gunsten bei der Drittschuldnerin bestehenden Kontoguthaben und ließ sich diese zur Einziehung überweisen.

Corona-Überbrückungshilfe wird gewährt …

Nach der Pfändung wurde der Schuldnerin eine "Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden" (im Folgenden: Corona-Überbrückungshilfe III) in Höhe von 548.284,47 EUR gewährt. Ausweislich des Bescheids ist eine Abtretung oder Verpfändung der Billigkeitsleistung nicht zulässig und die Leistung wird als zweckgebundene Liquiditätshilfe zur Deckung der Fixkosten und zur Existenzsicherung ausgewiesen.

… sowie vor und nach dem PfÜB ausgezahlt

Der erste Teilbetrag der Corona-Überbrückungshilfe III in Höhe von 274.142,24 EUR war dem bei der Drittschuldnerin geführten Girokonto der Schuldnerin bereits am 9.6.2021 gutgeschrieben und von dieser noch vor Erlass des PfÜB nahezu vollständig verausgabt worden; der Saldo des Kontos betrug zum 30.6.2021 663,31 EUR. Der zweite Teilbetrag der Corona-Überbrückungshilfe III in Höhe von 274.142,23 EUR ging am 20.7.2021 und damit sechs Tage nach der Zustellung des PfÜB auf dem Girokonto ein. Am 26.7.2021 betrug der Saldo des Girokontos 274.294,06 EUR.

Schuldnerin begehrt Aufhebung des PfÜB

Die Schuldnerin begehrte beim Vollstreckungsgericht unter Vorlage des Bewilligungsbescheides, den PfÜB aufzuheben. Hierzu hat sie vorgetragen, sie habe im Jahr 2021 bislang ausschließlich Zahlungen aus der Überbrückungshilfe II und III erhalten. Da ein weiteres Geschäftskonto nicht bestehe, könne sie aufgrund der Pfändung keine notwendigen Zahlungen leisten, auch nicht im Rahmen der Überbrückungshilfe III. Das AG ist dem Antrag zunächst in Anwendung von § 765a ZPO gefolgt, während das LG auf die sofortigen Beschwerden der Gläubigerin und der Drittschuldnerin den Antrag zurückgewiesen hat.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Schuldnerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerden der Gläubigerin und der Drittschuldnerin mit der Maßgabe, dass der von der Pfändung nicht erfasste Betrag auf 274.294,74 EUR festgesetzt wird. Sie meint, dieser Betrag entspreche dem von der Pfändung betroffenen, aus der Corona-Überbrückungshilfe III stammenden Kontoguthaben.

2 II. Die Entscheidung kurz zusammengefasst

Schutzantrag nach § 765a ZPO

Das LG hat den Antrag der Schuldnerin auf Aufhebung des PfÜB bezüglich des Guthabens auf ihrem bei der Drittschuldnerin geführten Girokonto zutreffend als Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO ausgelegt.

Voraussetzung ist zunächst, dass kein spezieller Pfändungsschutz existiert.

Kein Schutz nach § 851 ZPO

§ 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 1. Fall BGB steht der Pfändung des Auszahlungsanspruchs der Schuldnerin bezüglich ihres Kontoguthabens gegen die Drittschuldnerin nicht entgegen. Allerdings handelt es sich bei der Corona-Überbrückungshilfe III um eine danach nicht pfändbare Forderung.

Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Damit verweist § 851 Abs. 1 ZPO u.a. auf die Regelung des § 399 1. Fall BGB. Danach kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. § 399 1. Fall BGB erfasst Forderungen, die aufgrund ihres Leistungsinhalts eine so enge Verknüpfung zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses herbeiführen, dass ein Wechsel in der Gläubigerperson als unzumutbar anzusehen ist beziehungsweise die Identität der Forderung nicht gewahrt bleibt. Hierzu gehören zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwü...

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