Zwischen bestehender und künftiger Forderung ist zu unterscheiden

Die Entscheidung überzeugt nur bedingt, weil sie durch die Bezugnahme auf Literatur und Rechtsprechung den Eindruck erweckt, die Unpfändbarkeit von Erb- und Pflichtteil vor dem Erbfall und des Zugewinnausgleichsanspruchs vor der Beendigung des Güterstandes, d.h. vor Stellung des Scheidungsantrages, sei hinreichend begründet. Tatsächlich ist dies nicht der Fall.

Es trifft zu, dass der Pflichtteilsanspruch ebenso wie der der Erbanspruch erst mit dem Erbfall entsteht (vgl. etwa §§ 1922, 2317 BGB). Auch der Zugewinnausgleichsanspruch entsteht erst mit der Beendigung des Güterstandes (§ 1378 Abs. 3 S. 1 BGB). Das bedeutet aber nicht gleichsam die Unpfändbarkeit der Ansprüche. Auch der Anspruch auf Arbeitslohn, künftiges Guthaben auf einem Konto oder die Auszahlung einer Lebensversicherung entstehen häufig erst nach der Pfändung, ohne dass die Pfändbarkeit in Frage gestellt wird. Für den Arbeitslohn ist dies in § 832 ZPO, für Kontoguthaben in § 833a ZPO ausdrücklich, für die Lebensversicherung nicht geregelt. Es handelt sich um künftige Forderung und in keinem Fall ist sicher, dass es in der Zukunft tatsächlich zu einem pfändbaren Betrag kommt. So kann der Schuldner sein Arbeitsverhältnis oder sein Konto auflösen oder die Lebensversicherungsleistung durch eine Obliegenheitsverletzung verwirken.

BGH lässt die Pfändung künftiger Forderungen zu

In der Einzelzwangsvollstreckung können auch künftige sowie aufschiebend bedingte oder befristete Forderungen gepfändet werden, sofern ihr Rechtsgrund und der Drittschuldner im Zeitpunkt der Pfändung bestimmt sind (BGH NJW 2003, 1457; BGH NJW-RR 1989, 286). Diese Voraussetzungen waren zu prüfen.

Erbe und Pflichtteil sind mehr als nur Hoffnungen

Wenn das LG unter Hinweis auf Literaturzitate, die wiederum nur behaupten und nicht begründen, ausführt, dass das Erbe und der Pflichtteil nur Erwartungen und Hoffnungen seien, so irrt es. Die Kinder haben im Verhältnis zu den Eltern in jedem Fall einen Erb- oder Pflichtteilsanspruch. Einer der beiden Ansprüche wird sich bis auf geringe Ausnahmefälle nach dem regelmäßigen Gang der Dinge realisieren. Der Erwerb eines der beiden Ansprüche ist jedenfalls sicherer zu beurteilen als die Frage, ob der Schuldner 2020 noch bei dem gleichen Arbeitgeber tätig ist, bei dem sein künftiger Lohn gepfändet wird. Dass die beiden Ansprüche in einem Alternativverhältnis stehen, begründet keinen Ausschluss, beide zu pfänden. Gepfändet wird nämlich jeweils der angebliche Anspruch. Die Rechtsverhältnisse sind jedenfalls über das Verwandtschaftsverhältnis so gefestigt, dass von einem bestimmten Rechtsgrund auszugehen ist. In diesem Sinne hat auch der Zugewinnausgleichanspruch seinen Rechtsgrund in der im Güterstand der Zugewinngemeinschaft geschlossenen Ehe. Er realisiert sich sogar im Todesfall (§§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 3 BGB).

Die Frage nach dem Drittschuldner

Während sich bei der Pfändung des Zugewinnausgleichsanspruchs die Frage nach dem Drittschuldner – der Ehegatte – nicht ernsthaft stellt, ist dies bei einem Erbe oder Pflichtteilsanspruch tatsächlich schwieriger zu beantworten. Das LG macht es sich hier allerdings zu leicht, wenn es darauf verweist, dass ja nicht sicher sei, ob nach dem Erbfall ein Dritter zum Erbe wird, der Schuldner Teil einer Erbengemeinschaft ist oder der Schuldner sogar Alleinerbe wird. Richtig ist, dass der Erbfall dazu führt, dass der Drittschuldner zu Lebzeiten nicht mehr Drittschuldner sein kann. Auch beim Arbeitgeber oder dem Kreditinstitut ist allerdings der Fall der Rechtsnachfolge denkbar, wie er sich für das Erb- und Pflichtteilsrecht in §§ 1922, 1967 BGB ausdrückt. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das LG sich mit dieser Frage vertieft auseinandergesetzt hätte.

Pfändung und Überweisung trennen

Die familienrechtlichen Verbindungen werden durch die Option der Pfändung nicht unzumutbar tangiert. Es steht dem Vererbenden frei, die Pfändung des Erbteils zu verhindern, indem er den Schuldner enterbt, auch wenn er damit den Pflichtteilsanspruch nicht verhindern kann. Insoweit mag die Kenntnis von der Verschuldung des potentiellen Erben sogar etwas Positives bewirken, wenn der Vererbende den Ertrag seines Lebenswerkes nicht beim Gläubiger sehen will. Ob der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, ist eine Frage des Überweisungs-, nicht des Pfändungsbeschlusses.

Höchstrichterliche Klärung steht aus

Das LG hat – richtigerweise – die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die aufgeworfenen Fragen sind für die konkreten Zugriffsobjekte der Zwangsvollstreckung tatsächlich noch nicht höchstrichterlich entschieden. Soweit bekannt, wurde die Rechtsbeschwerde allerdings nicht eingelegt. Das ist bedauerlich, bedeutet aber zugleich, dass die Frage für einen Gläubiger mit langem Atem nicht als geklärt gelten kann. Auch wenn die Entscheidung auf der Ebene der Amtsgerichte sicher durchgreifen wird und auch e...

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