Abgrenzung der Vollstreckungsarten erforderlich

Die Frage, wie im Rahmen der Vollstreckung zur Herausgabe von Grundstücken nach § 885 ZPO zu verfahren ist, wenn der Schuldner auf dem Grundstück Tiere hält, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Teilweise wird die Ansicht vertreten, im Interesse einer effektiven Zwangsvollstreckung habe das zuständige Ordnungsamt im Rahmen der Gefahrenabwehr für die Unterbringung und Versorgung der Tiere zu sorgen (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1997, 1789; LG Oldenburg DGVZ 1995, 44; LG Ingolstadt Rpfleger 1997, 538; VG Freiburg NJW 1997, 1796; Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 885 Rn 62; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 885 Rn 8; Geißler, DGVZ 1995, 145; Schneider, MDR 1998, 1133; differenzierend nach der Höhe der entstehenden Kosten Ferst, DGVZ 1997, 177).
Die Gegenansicht geht davon aus, dass auf dem zu räumenden Grundstück befindliche Tiere wie bewegliche Sachen zu behandeln sind und insoweit entsprechend § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO zu verfahren ist (vgl. MüKo-ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 885 Rn 52; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 885 Rn 14; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 885 Rn 33; ­Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 885 Rn 19; Loritz, DGVZ 1997, 150; Braun, JZ 1997, 574; Stollenwerk, JurBüro 1997, 620 f.; Rigol, MDR 1999, 1363).

BGH entscheidet Streitfrage

Der BGH folgt der zweiten Ansicht und entscheidet damit den Streit. Befinden sich auf dem herauszugebenden Grundstück Tiere des Schuldners, hat der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO durchzuführen.

 

Checkliste: So ist nach § 885 ZPO zu verfahren

Bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden nach § 885 Abs. 2 ZPO vom Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten des Schuldners oder einer zu seiner Familie gehörenden oder in dieser Familie dienenden erwachsenen Person übergeben oder zur Verfügung gestellt, § 885 Abs. 2 ZPO.
Ist weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anwesend, so hat der Gerichtsvollzieher nach § 885 Abs. 3 S. 1 ZPO die Sachen auf Kosten des Schuldners in das Pfandlokal zu schaffen oder anderweit in Verwahrung zu bringen, § 885 Abs. 3 S. 1 ZPO.
Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners ohne Weiteres herauszugeben, § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Verzögert der Schuldner die Abforderung der vom Gerichtsvollzieher in Verwahrung genommenen Sachen oder weigert er sich, die Verfahrenskosten zu tragen, hat der Gerichtsvollzieher nach Ablauf von zwei Monaten nach der Räumung die Sachen zu verkaufen und den Erlös zu hinterlegen, § 885 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 ZPO.
Sachen, die nicht verwertet werden können, sollen vernichtet werden, § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO.

Auch für Tiere gilt dieses Verfahren bei der Räumungsvollstreckung

Auf Tiere, die sich auf dem zu räumenden Grundstück befinden, ist das in § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorgesehene Verfahren nach Ansicht des BGH entsprechend anwendbar. Dies folgt aus § 90a S. 3 BGB. Danach sind die für Sachen geltenden Vorschriften auf Tiere entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Das ist im Hinblick auf die Herausgabevollstreckung von Grundstücken nicht der Fall.

 

Hinweis

Das Zwangsvollstreckungsrecht sieht lediglich eine Unpfändbarkeit von Haustieren vor (§ 811c ZPO). Hier geht es aber nicht um die Pfändung von Tieren, sondern um die Räumung eines Grundstückes. Es macht also keinen Unterschied, zu welchem Zweck sich die Tiere auf dem Grundstück befinden. Bei einer Räumung von Grundstücken mit Haustieren wäre also in gleicher Weise zu verfahren. Das erweitert den Anwendungsbereich der Entscheidung für die Praxis erheblich.

Besonderheiten können nach § 765a ZPO berücksichtigt werden

Das Vollstreckungsgericht hat im Rahmen eines Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners nach § 765a ZPO bei der Zwangsvollstreckungsmaßnahme, die ein Tier betrifft, im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen (§ 765a Abs. 1 S. 3 ZPO).

 

Hinweis

Voraussetzung dafür ist aber, dass der Schuldner überhaupt einen Antrag nach § 765a ZPO gestellt hat und dabei die besondere Härte der Zwangsvollstreckung begründet hat, die gegen die guten Sitten verstößt. Die Darlegungs- und Beweislast liegt hier beim Schuldner.

Belange des Tierschutzes stehen nicht entgegen …

Auch die Belange des Tierschutzes stehen der entsprechenden Anwendung von § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO auf Tiere nicht entgegen. Den Belangen des Tierschutzes und den Vorschriften des Tierschutzgesetzes muss der Gerichtsvollzieher Rechnung tragen, wenn er die Tiere vom Grundstück wegschafft und in Verwahrung nimmt. Gründe dafür, dass dies dem Gerichtsvollzieher nicht möglich ist, sind nicht ersichtlich. Die "anderweite Verwahrung" im Sinne von § 885 Abs. 3 S. 1 ZPO kann in einem Tierheim oder einer and...

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