Leitsatz

1. Der Rückgewähranspruch nach § 11 AnfG kann durch einstweilige Verfügung gesichert werden.

2. Der anfechtende Gläubiger ist beweisbelastet für eine nicht werterschöpfende Belastung. Da der Anfechtungsgegner sich infolge der ihn treffenden sekundären Darlegungs- und Beweislast äußern muss, in welcher Höhe die Belastung im maßgeblichen Zeitpunkt valutierte, genügt im einstweiligen Verfügungsverfahren, dass der Gläubiger eine reale Belastung trotz der ersichtlichen nominellen Belastung mit Grundpfandrechten bestreitet.

3. Einer Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes für das den Rückgewähranspruch sichernde Verfügungsverbot bedarf es nicht (§§ 885 Abs. 1 S. 2, 899 Abs. 2 BGB analog).

OLG Stuttgart, 18.11.2009 – 3 W 63/09

I. Der Fall

Schuldnerin veräußert hoch belasteten Grundbesitz

Der Gläubiger (Antragsteller – Ast.) hat gegen die Schuldnerin einen titulierten Zahlungsanspruch in Höhe von 245.420,10 EUR nebst Zinsen, der nicht beigetrieben werden konnte. Nach dem von ihm vorgelegten notariellen Kaufvertrag vom 5.12.2007 verkaufte die Schuldnerin als Alleineigentümerin eine Teilfläche eines Grundstücks zum Preis von 42.000,– EUR an die Antragsgegner (AG.), ihre Enkel. Laut Grundbuchauszug ist das an die AG. verkaufte Grundstück mit vier Grundschulden über 409.033,50 EUR, 76.693,78 EUR, 460.162,69 EUR und 124.000,– EUR belastet.

Gläubiger will Rückgewähranspruch geltend machen

Der ASt. will gegen die AG. einen Rückgewähranspruch nach dem Anfechtungsgesetz geltend machen. Zur Sicherung dieses Anspruchs beabsichtigt er, den AG. durch einstweilige Verfügung zu verbieten, über den von der Schuldnerin erworbenen Grundbesitz zu verfügen. Von einer Gläubigerbenachteiligung sei auszugehen, die Valutierung der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden werde bestritten.

Der erste Schritt: PKH für einstweilige Verfügung

Für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der ASt. die Bewilligung von PKH beantragt, die das LG versagt hat, da der Nennwert der eingetragenen Grundschulden weit über dem vom ASt. behaupteten Verkehrswert des Grundstücks von 354.730 EUR liege.

II. Die Entscheidung

OLG sieht hinreichende Aussicht auf Erfolg

Die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung lässt sich nicht von vornherein verneinen. Der Rückgewähranspruch nach § 11 AnfG, den der ASt. im Hauptsacheverfahren durchsetzen will, kann durch einstweilige Verfügung gesichert werden. Die Anfechtung nach dem AnfG begründet ein unmittelbar auf dem Gesetz beruhendes Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Anfechtungsgegner auf Rückgewähr des anfechtbar erworbenen Vermögens. Diese Rückgewähr erfordert keine Rückübertragung des anfechtbar erworbenen Gegenstands in das Schuldnervermögen. Vielmehr hat der Gläubiger einen obligatorischen Anspruch auf Befriedigung aus der anfechtbar veräußerten Sache, so als ob diese noch dem Schuldner gehörte. In derselben Weise wie der Gläubiger, wenn die Sache im Vermögen des Schuldners verblieben wäre, sich diesem gegenüber Befriedigung durch Zwangsvollstreckung hätte verschaffen können, hat der Anfechtungsgegner die Zwangsvollstreckung in die Sache zum Zweck der Befriedigung des Gläubigers über sich ergehen zu lassen (BGH NJW-RR 1992, 733). Dies ist nicht eine Geld-, sondern eine der Sicherung durch einstweilige Verfügung zugängliche Individualleistung (BGH NJW-RR 1992, 733; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 1343; Huber, Kommentar zum Anfechtungsgesetz, 10. Aufl. 2006, § 2 AnfG Rn 41; a.A. Drescher, in: Münchener Kommentar, 3. Aufl. 2007, § 916 ZPO Rn 5). So liegt der Fall hier. Ein Arrest käme zur Sicherung des Anfechtungsrechts nur dann in Betracht, wenn der anfechtbar erlangte Gegenstand nicht mehr zurückgewährt werden könnte und an die Stelle des Rückgewähranspruchs eine Forderung auf Wertersatz getreten wäre (OLG Düsseldorf NJW 1977, 1828). Hierfür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Voraussetzungen nach § 2 AnfG sind gegeben

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anfechtungsanspruches nach § 2 AnfG sind erfüllt. Einen vollstreckbaren Schuldtitel im Sinne dieser Vorschrift stellt das Urteil des LG dar. Die titulierte Forderung des ASt. ist fällig. Die bisher vom ASt. durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen sind erfolglos geblieben.

Verfügungsanspruch besteht

Nach dem – allein maßgeblichen – Vortrag des ASt. besteht auch ein Verfügungsanspruch. Zwar dürfte ein Recht zur Anfechtung aus § 4 Abs. 1 AnfG nicht in Betracht kommen, weil die Antragsgegner das streitgegenständliche Grundstück zu einem Kaufpreis von 42.000,– EUR erworben haben mit der Folge, dass es an einer unentgeltlichen Leistung im Sinne dieser Vorschrift fehlt. Jedoch ist es aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage durchaus möglich, dass der Antragsteller dennoch mit seinem Begehren durchdringen wird, was für eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO ausreicht (Zöller/Philippi, 28. Aufl. 2010, § 114 ZPO Rn 19 m.w.N.). In der Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks liegt eine Rechtshand...

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