Wie das AG Burg sieht es auch das BMJ

Gerichtsvollzieher zeigen sich in der Zwangsvollstreckung immer mehr als Problem und nicht als Teil einer ausgewogenen Lösung zwischen Gläubiger, Schuldner und ihren Bevollmächtigten. Es wird immer stärker das Ziel der Zwangsvollstreckung – die Befriedigung der Ansprüche des Gläubigers – aus dem Auge verloren. Bedauerlich ist, dass – wenn schon nicht die Gesetzesbegründung herangezogen wird – nicht einmal im Bundesministerium der Justiz nachgefragt wird, was denn deren Intention bei der Konzeption der Norm gewesen sei. Immerhin gehört die Motivlage des Gesetzgebers zu den wesentlichen Auslegungsregeln. Anderenfalls hätte man vielleicht die gleiche Antwort wie der Anmerkende erhalten: "Das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz geht zudem davon aus, dass sich § 753a ZPO auch auf die Vorlage der Geldempfangsvollmacht erstreckt" (Schreiben vom 1.12.2021, RA4 – 3740/18 – R4 369/2021). Am Ende bleibt: Es wird (wieder einmal) ein Problem gesehen, wo keines ist. Es lässt sich nämlich nicht im Ansatz sehen, dass Gläubigervertreter Gelder einziehen, die ihnen nicht zustehen oder die sie nicht auch an den Gläubiger weiterleiten. Für Rechtsanwälte (§ 43a Abs. 7 BRAO, § 4 BORA) und registrierte Inkassodienstleister (§ 13g RDG) existieren dabei sogar besondere Vorschriften für den Umgang mit Fremdgeld.

Es gibt auch andere – weniger überzeugende – Auffassungen

Allein auf § 815 ZPO gestützt hat dagegen das LG Stuttgart (15.10.2021 – 10 T 369/21) abweichend entschieden und die Vorlage einer Originalvollmacht oder einer Ausfertigung verlangt. Nur auf dieser Grundlage sei es dem GV möglich, die Berechtigung zu Empfangnahme gepfändeter Geldbeträge zu prüfen. Dies betrifft einerseits die Frage der Echtheit der Unterschrift des Bevollmächtigten und andererseits die Prüfung, ob die erteilte Vollmacht zwischenzeitlich nicht entzogen worden sei. Demgegenüber reiche die anwaltliche Versicherung des Bestehens einer Geldempfangsvollmacht nicht aus. Dies gelte "auch unter Berücksichtigung des § 753a ZPO".

Das überzeugt in der Sache nicht, da sich einer vorgelegten Vollmacht zunächst nicht ansehen lässt, ob diese zwischenzeitlich entzogen – die Urkunde aber noch nicht zurückgegeben – wurde. Auch stellt sich die Frage, ob es dieser Überprüfung überhaupt noch bedarf, wenn der Gesetzgeber die Gefährdung der Gläubigerinteressen nach Maßgabe des § 753a ZPO offensichtlich als gering angesehen hat. Auch überrascht es, dass sich landauf und landab alle Gerichte in Hauptsacheverfahren mit der Vorlage von Kopien von Urkunden begnügen, während gerade in der Zwangsvollstreckung nun die Vorlage von Originalurkunden erforderlich sein soll. Formal fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Argumenten, die gegen die Ansicht des LG sprechen, insbesondere auch mit der Gesetzesbegründung.

Dann doch besser ohne staatliche Vollstreckungsorgane, oder?

Solche Entscheidungen wie die des LG Stuttgart sind es, die Gläubiger und ihre Bevollmächtigten veranlassen, andere Wege der Forderungseinziehung zu suchen. Der nicht durch eine tatsächliche Gefährdungslage gerechtfertigte Formalismus der Zwangsvollstreckung bei einer minimalen Vergütung – für eine Vollstreckung einer Forderung bis 500 EUR erhält der Rechtsanwalt gerade einmal 18 EUR netto – ist es, der Gläubiger und ihre Vertreter täglich frustriert.

VRiOLG Frank-Michael Goebel

FoVo 10/2022, S. 191 - 194

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