Kontopfändung und Pfändungsfreibeträge

Verfügt der Schuldner über ein Girokonto, so kann er Pfändungsschutz nur erlangen, wenn er das Konto vertraglich so gestaltet, dass es sich um ein Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO handelt. Entgegen vielfacher Meinung gelten für dieses Pfändungsschutzkonto nicht die Pfändungsfreigrenzen nach der Tabelle zu § 850c ZPO. Vielmehr erhält der Schuldner grundsätzlich nur den Grundfreibetrag nach § 850k Abs. 1 i.V.m. § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Höhe von derzeit 1.073,88 EUR. Leistet der Schuldner einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Vorschriften Unterhalt, so kann er nach § 850k Abs. 2 ZPO grundsätzlich einen weitergehenden Pfändungsschutz erlangen, der dem Schutz beim Arbeitseinkommen nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO entspricht, d.h. für die erste unterhaltsberechtigte Person 404,16 EUR sowie für die zweite bis fünfte unterhaltsberechtigte Person jeweils 225,17 EUR.

 

Hinweis

Die Gewährung dieser weitergehenden Pfändungsfreibeträge setzt beim Arbeitseinkommen wie bei der Kontopfändung nicht nur voraus, dass der Schuldner eine entsprechende gesetzliche Unterhaltspflicht zu erfüllen hat, sondern dass er tatsächlich auch entsprechende Leistungen erbringt.

Qualifizierter Nachweis der Unterhaltsberechtigten

Während der Arbeitgeber die gegenüber dem Schuldner gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen aufgrund der Lohnsteuermerkmale berücksichtigt und es dem Gläubiger obliegt, deren Nichtberücksichtigung durch einen gesonderten Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO geltend zu machen, liegt bei der Kontopfändung die erste Handlungspflicht beim Schuldner. § 850k Abs. 5 ZPO bestimmt insoweit, dass das Kreditinstitut dem Schuldner zur Leistung aus dem nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO nicht von der Pfändung erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten grundsätzlich verpflichtet ist. Für die Auszahlungsverpflichtung hinsichtlich der Schutzbeträge nach § 850k Abs. 2 ZPO gilt dies jedoch nur insoweit, wie der Schuldner eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO, etwa einer Schuldnerberatung, beibringt, die die Zahl der Unterhaltspflichtigen sowie die Unterhaltsleistung dem Grunde nach ausweist.

Die Probleme der Praxis

Für die Praxis stellt sich die Frage, wie gesichert wird, dass die Bescheinigung die Verhältnisse zutreffend wiedergibt. Dabei gilt es neben der Wahrhaftigkeit zugleich deren Aktualität zu sichern, da die Verhältnisse einem stetigen Wandel unterliegen können.

 

Beispiel

So kann im Juni des Jahres 2015 eine durchaus zutreffende Bescheinigung ausgestellt werden, nach der ein gesetzlich unterhaltsberechtigtes Kind noch zur Schule geht oder sich in der Ausbildung befindet. Der Freibetrag nach § 850k Abs. 2 ZPO wird dann zu Recht gewährt. Allerdings ist es in der Folge denkbar, dass das Kind im September 2015 die Schule verlässt oder die Ausbildung beendet und in einem regulären versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis eigene Einkünfte erzielt. In diesem Fall ist die Gewährung des Freibetrages nicht mehr gerechtfertigt. Der Schuldner hat kein Interesse an einer schnellen Aktualisierung und der Drittschuldner kein Interesse an Nachfragen, die ihm nur weiteren Aufwand bringen.

Kreditinstitut und Gläubiger sind gefragt

§ 850k Abs. 5 Satz 3 ZPO bestimmt, dass das Kreditinstitut von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner wie dem pfändenden Gläubiger frei wird, wenn ihm die Unrichtigkeit der Bescheinigung weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Diese Regelung begründet, dass einerseits die Kreditinstitute einer gewissen Prüfungspflicht unterliegen, um sich von dem Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis zu befreien, andererseits der Gläubiger ein Prüfungsinteresse hat, ob die Bescheinigung objektiv unrichtig und/oder noch aktuell ist, ohne dass das Kreditinstitut vorsätzlich oder grob fahrlässig die Unrichtigkeit erkennen kann.

 

Hinweis

Mit dieser Regelung im Rahmen der Reform der Kontopfändung hat sich vor allen Dingen die Justiz einer regelmäßigen Prüfungsaufgabe entlastet und sie auf die Kreditinstitute und den Gläubiger verlagert, ohne entsprechende Prüfungsinstrumente zu schaffen (hierzu Sudergat, Kontopfändung und P-Konto, 3. Aufl. 2013, Rn 807 ff. und ZVI 2010, 445; May, ZVI 2013, 2; Bitter, WM 2008, 141; Goebel, ZVI 2007, 294).

Die Kreditinstitute müssen die Bescheinigung zumindest auf ihre Echtheit prüfen und eine Plausibilitätsprüfung auf offensichtliche Fehler vornehmen, etwa die unzutreffende Addition der Freibeträge (Sudergat, Kontopfändung, 3. Aufl. 2013, Rn 820). Auch wird zu verlangen sein, dass sie die Angaben in der Bescheinigung mit den bankinternen Daten abgleichen, etwa den Familienstand und die Zahl und das Alter der Kinder.

 

Hinweis

Jeder, der in der Praxis mit solchen Bescheinigungen zu tun hat, weiß, dass sich diese Zeilen leichter aufschreiben, als es in der Praxis umsetzbar ist. Die Qualität der Bes...

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