Die Anwendung von Normen erleichtert die Rechtsfindung

Es ist so manches Mal beeindruckend, mit welchen Begründungen in der Zwangsvollstreckung dem Gläubiger die Durchsetzung eines durch die Titulierung als materiell-rechtlich begründet erkannten Anspruchs verweigert wird. Eine sachgerechte Prüfung der einschlägigen Normen wäre stattdessen ebenso angezeigt wie die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber einen ausreichenden Schutz des Schuldners normiert hat. Das BVerfG entlarvt mit einfacher und klarer Begründung, dass

die Wahrnehmung gesetzlicher Rechte keine sittenwidrige Härte darstellt;
die Drittschuldnerin schon keinen Schaden erleidet, wenn sie Gelder herausgeben muss, die dem Schuldner gehören;
dem Schuldner mit den Möglichkeiten, ein P-Konto einzurichten, ein ausreichender Pfändungsschutz zur Verfügung steht;
die Zivil- und Vollstreckungsgerichte nicht berechtigt sind, neue Schutzinstrumente zu schaffen und
es dem Schuldner obliegt, seine Schutzmöglichkeiten auch wirklich in Anspruch zu nehmen.
Gehaltskonto ermitteln

Das BVerfG stärkt somit die Gläubigerrechte insbesondere bei Fallgestaltungen, denen der Geruch der Manipulation anhaftet. Der Schuldner nutzt nicht zuletzt deshalb das Konto seiner Ehefrau, weil er sich damit vor dem Vollstreckungszugriff sicher wähnt. Das wird in der Zukunft nicht mehr der Fall sein, wenn die Gläubiger ihre Rechte konsequent nutzen.

 

Hinweis

Erlangt der Gläubiger die Kenntnis von der Nutzung des Kontos des Ehegatten nicht aus einer Vermögensauskunft nach §§ 802c, d ZPO oder einer Vermögensauskunft Dritter, nämlich des Bundeszentralamtes für Steuern nach § 802l ZPO, muss nach der Lohnpfändung auf die Lohnabrechnung beim Arbeitgeber zugegriffen werden (BGH FoVo 2013, 56). Hieraus ergibt sich in vielen Fällen die Angabe des Kontos, auf das der nicht pfändbare Anteil des Arbeitseinkommens gezahlt wird.

Schutz nur, wenn der SU alles getan hat

Schon der BGH hat ausgeführt, dass die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nur in Betracht kommt, wenn andere Schutzvorschriften erschöpft sind oder nicht zur Anwendung kommen (BGH NJW 2007, 2703; BGH NJW 2008, 1678). Dabei hat der BGH dem Schuldner allerdings den Gestaltungsspielraum gelassen, dass der Schuldner allein aus "banktechnischen Gründen" das Konto eines Dritten nutzt und in diesem Fall § 765a ZPO dann für anwendbar erachtet, weil § 850k nicht zur Anwendung kommen kann. Das wird zu hinterfragen sein. Richtigerweise wird mit dem BVerfG erst zu fragen sein, ob der Schuldner Anstrengungen unternommen hat, ein P-Konto zu erlangen. Nur wenn das der Fall ist, kann § 765a ZPO im Verhältnis der Gläubigerin zu ihm in Erwägung gezogen werden.

Voraussetzungen wirklich prüfen

Das BVerfG konnte sich im vorliegenden Fall auf den Hinweis beschränken, dass § 765a ZPO im Verhältnis zwischen Drittschuldnerin und Gläubigerin nicht gilt und hinsichtlich des Verhältnisses Gläubigerin zum Schuldner darüber bereits rechtskräftig entschieden war. In der Praxis wird nicht immer beachtet, dass auch in dem Fall, dass § 765a ZPO gilt, zunächst zu prüfen ist, ob dessen Voraussetzungen vorliegen. In diesem Zusammenhang ist die Erwägung des BVerfG von zentraler Bedeutung, dass der Schuldner nach dem Willen des Gesetzgebers selbst für den Schutz seines Gehalts Sorge zu tragen hat, indem er alles dahin veranlasst, dass seine Zahlungen auf einem eigenen P-Konto statt auf dem Konto eines Dritten eingehen. Demgegenüber nimmt der Gläubiger seine gesetzmäßigen Rechte wahr, wenn er den Anspruch aus § 667 BGB pfändet. Eine "besondere Härte" kann deshalb für den Schuldner überhaupt nur dann vorliegen, wenn er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist, den Pfändungsschutz nach § 850k ZPO zu erlangen, d.h. seine Bank und andere zumutbar ansprechbare Banken ihm ein P-Konto verweigern.

Fazit

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass auf das BVerfG Verlass ist. Es schützt die Gewaltenteilung, indem es die Praxis des Vollstreckungsrechts darauf zurückführt, dass der Gesetzgeber ein hinreichendes Pfändungsschutzniveau für den Schuldner geschaffen hat, das nicht zu Lasten des Gläubigers unterlaufen werden darf, wenn der Schuldner das Angebot nicht in Anspruch nimmt. Am Ende darf eine Selbstverständlichkeit festgehalten werden: Der Gläubiger hat einen verfassungsrechtlich aus Art. 14 GG geschützten Anspruch, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und damit auf die Durchsetzung des Anspruches und letztlich auch einen Anspruch gegen richterliche Willkür aus Art. 3 GG.

FoVo 10/2015, S. 192 - 197

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