Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde angenommen und für offensichtlich begründet erachtet. Die Ausgangsentscheidungen verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Ausgangsentscheidungen seien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar, und es dränge sich daher der Schluss auf, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen.

Keine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB

§ 826 BGB gewährt Schutz bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Weite der haftungsbegründenden Verhaltensweisen wird durch das Vorsatzerfordernis und die Notwendigkeit eines Sittenverstoßes begrenzt. Allerdings ermöglicht gerade das Merkmal der Sittenwidrigkeit eine flexible Anpassung des Haftungsrechts an veränderte faktische Situationen oder soziale Umstände. § 826 BGB ist durch Richterrecht konkretisiert worden, das sich in Fallgruppen zusammenfassen lässt. Diese Fallgruppen ermöglichen eine Orientierung bei der Anwendung des § 826 BGB, entbinden jedoch weder von der Prüfung der Umstände jedes Einzelfalls, noch sind sie abschließend, insbesondere sind die subjektiven Tatbestandsmerkmale jeweils konkret festzustellen. Im Rahmen eines Prozesses kann eine Prozesspartei sich nicht nur durch Erschleichung oder Ausnutzung materiell-rechtlich unrichtiger Titel sittenwidrig verhalten und dem Gegner nach § 826 BGB haftbar werden, sondern unter Umständen auch in anderer Weise.

 

Checkliste: Fallgruppen des § 826 BGB nach dem BVerfG

Eine sittenwidrige Schädigung kann stattfinden durch

  die Anbringung unberechtigter Insolvenzanträge,
  die Erstattung von Strafanzeigen wegen fiktiver Delikte,
  die Erhebung unbegründeter Zivilklagen,
  den Einsatz unlauterer Mittel.

Was soll eigentlich sittenwidrig sein?

Der die Berufung zurückweisende Beschluss des LG verhält sich nicht zu einer konkreten, vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung der Beklagten als Drittschuldnerin durch die Gläubigerin. Die Gläubigerin bedient sich zur Durchsetzung ihres titulierten Anspruchs im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines gesetzlich geregelten Verfahrens und macht lediglich die ihr zustehenden Rechte aus einem wirksamen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) gegen die Beklagte als Drittschuldnerin geltend. Ab der Zustellung des PfÜB durfte die Beklagte gemäß § 829 Abs. 1 ZPO nicht über die für den Schuldner auf ihrem Konto eingehenden Beträge verfügen. Im Gegensatz zu der rechtstreuen, sich im Rahmen der Verfahrensordnung bewegenden Gläubigerin hat die Beklagte unter Missachtung der ausgebrachten Pfändung und des damit verbundenen wirksamen Arrestatoriums die Beträge an den Schuldner ausgekehrt.

Klarheit der Ansprüche beachten

Die Gläubigerin hat mit dem gegen die Beklagte gerichteten PfÜB nicht das Arbeitseinkommen des Schuldners, sondern nur dessen Auszahlungsanspruch gemäß § 667 BGB gegenüber der Beklagten gepfändet. Ohnehin sind die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO im Verhältnis zwischen der Gläubigerin und der Drittschuldnerin nicht einschlägig, ist mithin in ihrem Prozessverhältnis § 850c ZPO nicht anwendbar. Dies verkennt das LG, indem es zur Begründung der Sittenwidrigkeit – im Verhältnis der Gläubigerin zur Drittschuldnerin – darauf abstellt, dass die auf dem Konto der Beklagten (als Drittschuldnerin) eingehenden Beträge im Ergebnis dem Pfändungsschutz gemäß § 850c ZPO unterlägen.

Tatsächlich kein Pfändungsschutz des Schuldners nach § 850k

Des Weiteren wäre selbst im Verhältnis der Gläubigerin zum Schuldner, der jedoch nicht Partei des Ausgangserkenntnisverfahrens ist, vorliegend § 850k ZPO nicht anwendbar, da der Schuldner gerade kein eigenes Girokonto und somit auch kein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) unterhält. § 850k ZPO ist auch nicht entsprechend anwendbar, wenn das Arbeitseinkommen des Schuldners – wie hier – auf dessen Weisung auf ein Konto eines Dritten überwiesen wird und der Gläubiger entweder den Anspruch des Schuldners gegen den Kontoinhaber auf Auskehrung des betreffenden Betrages oder den Auszahlungsanspruch des Dritten gegen die kontoführende Bank pfändet (BGH NJW 2008, 1678; BGH NJW 2007, 2703). Dem Schuldner steht in dieser Konstellation der Weg über ein (eigenes) P-Konto offen, wenn er Gelder auf Konten vor Pfändung schützen will.

… und dann auch nicht nach § 765a ZPO

Diesem Schutz entzieht sich der Schuldner selbst, indem er es unterlässt, dafür Sorge zu tragen, dass die Zahlungen auf seinem Pfändungsschutzkonto eingehen, und er allein aufgrund des fehlenden P-Kontos den Fall einer besonderen Härte im Sinne des § 765a ZPO herbeizuführen sucht, mit welcher vorliegend das LG die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung der Beklagten durch die Gläubigerin begründet hat. Der Schuldner hat nach dem Willen des Gesetzgebers selbst für den Schutz seines Gehalts Sorge zu tragen, indem er alles dahin veranlasst, dass seine Zahlungen auf einem eigenen P-Konto statt auf dem Konto eines Dritten eingehen. Kommt er...

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