Leitsatz

Das Verbot von Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens gilt auch für das Verfahren der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung.

BGH, 24.5.2012 – IX ZB 275/10

I. Der Fall

Einzelgläubiger begehrt e.V. während Insolvenzverfahren

Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Der Schuldner gab im Jahr 2006 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO ab. Im Jahr 2008 hat der Gläubiger beantragt, einen Termin zur nochmaligen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner gemäß § 903 ZPO zu bestimmen, weil die frühere Versicherung unrichtig und unvollständig gewesen sei. Im Termin hat der Schuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit der Begründung widersprochen, die frühere Versicherung sei weder unrichtig noch unvollständig gewesen. Am 8.4.2008 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Vollstreckungsgericht hat daraufhin dem Widerspruch des Schuldners mit der Begründung stattgegeben, der Schuldner sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nicht mehr zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers hatte keinen Erfolg.

II. Die Entscheidung

BGH widmet sich einer Streitfrage …

Die Frage, ob das während des Insolvenzverfahrens nach § 89 Abs. 1 InsO bestehende Vollstreckungsverbot auch für Anträge auf Abgabe einer eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff. ZPO gilt, ist umstritten.

Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung hält die Anordnung einer eidesstattlichen Offenbarungsversicherung auch im eröffneten Insolvenzverfahren für zulässig (AG Westerburg DGVZ 2006, 119, 120; zu § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO: LG Würzburg NZI 1999, 504; AG Rostock NZI 2000, 142; AG Hainichen JurBüro 2002, 605; AG Güstrow JurBüro 2004, 213; offen gelassen von AG Hamburg NZI 2006, 646; vgl. auch FK-InsO/App, 6. Aufl., § 89 Rn 15).
Nach Ansicht anderer Instanzgerichte und nach der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Ansicht erstreckt sich das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO auch auf das Verfahren der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 899 ff. ZPO (OLG Zweibrücken NZI 2001, 423 f.; OLG Jena ZInsO 2002, 134; AG Bonn, Beschl. v. 2.6.2008 – 24 M 551/08; Jaeger/Eckardt, InsO, § 89 Rn 41; MüKo-InsO/Breuer, 2. Aufl., § 89 Rn 9 und 12; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 89 Rn 25; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 89 Rn 10; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 89 Rn 9; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 3. Aufl., § 89 Rn 3; BK-InsO/Blersch/von Olshausen, 2007, § 89 Rn 4; Hess, Insolvenzrecht, 2007, § 89 Rn 25; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, 2011, § 89 Rn 11; Piekenbrock, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, § 89 InsO Rn 21; Gottwald/Gerhardt, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 33 Rn 4; Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 6 Rn 375; Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 900 Rn 7; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 900 Rn 60; Viertelhausen, DGVZ 2001, 36, 37; Schwörer, DGVZ 2008, 17, 19; zu § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO: LG Darmstadt NZI 2003, 609; LG Heilbronn Rpfleger 2008, 88, 89; AG Wilhelmshaven NZI 2001, 436).

… und schließt sich der h.M. an

Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung entsprach es der ganz herrschenden Meinung, dass der Schuldner nach der Eröffnung des Konkursverfahrens gemäß § 14 Abs. 1 KO nicht mehr zur Abgabe einer eidesstattlichen Offenbarungsversicherung verpflichtet war. Unter der Geltung der Insolvenzordnung ist die Rechtsfrage ebenso zu beantworten. Nach § 89 Abs. 1 InsO sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Die Nennung der Insolvenzmasse und des sonstigen Vermögens des Schuldners in dieser Norm stellt klar, dass wie im Konkursrecht nicht nur Vollstreckungen verboten sind, die sich auf Gegenstände der Insolvenzmasse beziehen, sondern auch Vollstreckungsmaßnahmen, die das übrige, nicht zur Masse gehörende Schuldnervermögen betreffen. Sie beschränkt hingegen die unzulässigen Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf solche, die unmittelbar in die genannten Vermögensmassen eingreifen. Unzulässig sind vielmehr sämtliche auf die Insolvenzmasse und das übrige Vermögen des Schuldners gerichteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Offenbarungsverfahren ist Zwangsvollstreckungsmaßnahme

Um eine solche Zwangsvollstreckungsmaßnahme handelt es sich bei der Abnahme der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff. ZPO. Sie ist, wie sich bereits aus der Stellung dieser Vorschriften im Buch 8 der ZPO ergibt, ein Bestandteil der Zwangsvollstreckung. Nach allgemeiner Ansicht darf sie nur angeordnet werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Anders als etwa bei der Erklärung eines Urteils als vorläufig...

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