Die zulässige Rechtsbeschwerde hat einen vorläufigen Erfolg

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach §§ 567 Abs. 1, 793 ZPO; § 36 Abs. 4 S. 1 InsO zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Dem Schuldner war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren (§ 233 ZPO). Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg.

LG: § 851c ZPO verdrängt § 850i ZPO

Das LG hat gemeint, der Anwendungsbereich des § 850i ZPO sei aufgrund der speziellen Pfändungsschutzvorschrift des § 851c ZPO für Altersvorsorgeleistungen nicht anwendbar, auch wenn § 851c ZPO mangels Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht eingreife. Die Einschränkung der Gläubigerrechte lasse sich nur mit der Altersvorsorgefunktion nach § 851c ZPO legitimieren. Auf die Frage, ob § 850i ZPO noch anzuwenden wäre, obwohl die Versicherungsleistungen bereits auf ein Insolvenzanderkonto ausgezahlt worden seien, komme es daher nicht mehr an.

Der BGH folgt dieser Begründung nicht

Mit dieser Begründung kann der von dem Schuldner beantragte Pfändungsschutz für die ihm verpfändeten Ansprüche aus den Versicherungsverträgen nicht verweigert werden.

Vermögen gehört zur Insolvenzmasse

Nach § 35 Abs. 1 InsO fällt das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er im Laufe des Verfahrens erlangt, in die Insolvenzmasse. Gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 InsO gehören die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO verweist unter anderem ausdrücklich auf § 850i ZPO und § 851c ZPO.

Eindeutig: kein Pfändungsschutz nach § 851c ZPO

Die Leistungen aus den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen sind nicht nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO; § 851c Abs. 1 ZPO von dem Insolvenzbeschlag ausgenommen, denn die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes für Altersrenten nach letzterer Vorschrift liegen nicht vor.

Der Anwendbarkeit des § 851c Abs. 1 ZPO steht nicht entgegen, dass der Schuldner nicht Versicherungsnehmer, sondern Pfandgläubiger bezüglich Pfandrechten an den Ansprüchen auf Leistungen aus den von der GmbH geschlossenen Versicherungsverträgen ist. § 851c Abs. 1 ZPO stellt auf Ansprüche auf Leistungen ab, die aufgrund von Verträgen erbracht werden. Werden derartige Ansprüche verpfändet, so steht dem Pfandgläubiger, wenn zum Zeitpunkt der Pfändung Pfandreife (§ 1228 Abs. 2 BGB) eingetreten ist, ein Einziehungsrecht zu (§ 1282 Abs. 1 BGB). Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes, der Alterssicherung Selbstständiger dienende Vermögenswerte gegen einen schrankenlosen Vollstreckungszugriff abzuschirmen (vgl. BT-Drucks 16/886, S. 7), ist es gerechtfertigt, § 851c Abs. 1 ZPO zugunsten eines Pfandgläubigers anzuwenden, wenn er in den Versicherungsverträgen als versicherte Person benannt ist und die Versicherung der Rückdeckung einer ihm als Geschäftsführer gegebenen Pensionszusage dient (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2012 – VII ZB 2/11, WM 2012, 1870 Rn 18).

Kapitalwahlrecht steht der Anwendung entgegen

Ein Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 ZPO scheidet vorliegend aber aus. Die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO müssen im Zeitpunkt der Pfändung kumulativ gegeben sein (vgl. BT-Drucks 16/886, S. 8; BGH, Beschl. v. 27.8.2009 – VII ZB 89/08, r+s 2009, 472 Rn 12; Urt. v. 22.7.2015 – IV ZR 223/15, NJW 2015, 3506 Rn 12, 17). Ist das nicht der Fall, besteht kein Anspruch auf Pfändungsschutz nach dieser Vorschrift. In den Verträgen ist entgegen § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Zahlung einer Kapitalleistung nicht nur für den Todesfall vereinbart worden. Das Kapitalwahlrecht konnte vorliegend zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch noch ausgeübt werden.

Unerheblich ist, wer das Kapitalwahlrecht ausübt

Nichts anderes gilt im Blick darauf, dass das Kapitalwahlrecht durch den Insolvenzverwalter ausgeübt worden ist und damit durch den Schuldner nicht mehr ausgeübt werden konnte. Bestand das Kapitalwahlrecht zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch, war der Altersvorsorgecharakter des Vertrages zum maßgeblichen Zeitpunkt gerade nicht dauerhaft gesichert (vgl. BGH NZI 2011, 67 Rn 19 f; Busch, VuR 2011, 371, 373). § 851c Abs. 1 ZPO griff daher zum Zeitpunkt des Insolvenzbeschlags nicht ein.

BGH sieht Anwendbarkeit von § 850i ZPO

Der durch den Schuldner beantragte Pfändungsschutz nach § 850i ZPO ist nicht aus den von dem LG angeführten Gründen ausgeschlossen. Der Antrag, Pfändungsschutz für sonstige Vergütungen gemäß § 850i ZPO zu gewähren, ist an keine Frist gebunden, muss aber vor Beendigung des Vollstreckungsverfahrens gestellt werden.

In der Einzelzwangsvollstreckung kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn gezahlt ist

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