Verschuldung hat Ursachen. Nicht selten teilt der Schuldner diese Ursachen im Rahmen der schriftlichen, fernmündlichen oder persönlichen Kontaktaufnahme mit. Der nachfolgende Beitrag soll an drei Beispielen zeigen, wie solche Mitteilungen Anhaltspunkte für weitere Forderungsbeitreibungs- oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geben können, obwohl sie auf den ersten Blick die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu belegen scheinen.

 

Unser erster Fall

Sie telefonieren im Oktober 2021 mit dem Schuldner, der Ihnen mitteilt, dass er mit Ablauf des 31.7.2021 arbeitslos geworden sei. Zuvor habe er monatlich 1.500 EUR brutto verdient. Er möchte damit begründen, dass er nicht in der Lage ist, die Forderung ganz oder auch nur in Raten auszugleichen. Derzeit beziehe er nur Hartz IV. Ein aussichtsloser Fall?

Bringen Sie das Finanzamt ins Spiel

Mitnichten ein aussichtsloser Fall. War der Schuldner bis Juli 2021 erwerbstätig und hat auch entsprechende Steuern bezahlt, so kommt nun ein Steuererstattungsanspruch in Betracht. Nach § 32a EStG bleibt nämlich das zu versteuernde Einkommen unterhalb von 9.744 EUR ohne jede Steuerbelastung. Es handelt sich um das sogenannte wirtschaftliche Existenzminimum.

 

Beispiel

Hat der Schuldner einen Bruttolohn von 1.500 EUR monatlich, hätte er im Jahr 2021 699,96 EUR an Lohnsteuer und 62,88 EUR an Kirchensteuer bezahlt, d.h. monatlich 63,57 EUR. Bei einem Bruttolohn von jährlich 12.000 EUR ergibt sich dagegen nach Abzug der Sozialversicherungsbeträge ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb von 9.744 EUR, so dass der Schuldner keine Steuern zahlen muss, d.h. er hat einen Erstattungsanspruch von 762,84 EUR.

Was ist zu tun?

Auf diesen Steuererstattungsanspruch kann der Gläubiger je nach Kooperationsbereitschaft des Schuldners auf zwei Wegen zugreifen:

Er kann sich den Steuererstattungsanspruch auf dem dafür vorgesehenen und nach § 46 Abs. 3 AO zwingend zu verwendenden amtlichen Formular (https://www.formulare-bfinv.de/ffw/form/display.do?%24context=F03E468B55730EAE60E8) abtreten lassen. Dies kommt immer dann in Betracht, wenn der Schuldner mitwirkt. Das ist für ihn der kostengünstigste Weg.
Wirkt der Schuldner nicht mit, kann der Gläubiger den Steuererstattungsanspruch auch nach §§ 829, 835 ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Zuständiger Drittschuldner ist das Finanzamt am Wohnort des Schuldners, § 19 AO.

 

Hinweis

Beachtet werden muss, dass der Steuererstattungsanspruch erst abgetreten oder gepfändet werden darf, wenn er "entstanden" ist, § 46 Abs. 6 AO. Entstanden ist der Steuererstattungsanspruch aber erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres. Der Steuererstattungsanspruch für das Jahr 2021 ist also erst am 1.1.2022 entstanden. Der PfÜB kann damit erst am 2.1.2022 beantragt werden.

 

Unser zweiter Fall

Der Schuldner gibt im Rahmen der Kontaktaufnahme an, dass er gerade in Scheidung lebe. Er habe bereits den Scheidungsantrag gestellt. Die Situation nehme seine finanziellen Möglichkeiten sehr in Anspruch, da er nun einen eigenen Hausstand unterhalte und er von seinem Ehegatten noch keinen Unterhalt bekomme. So mancher Schuldner wendet auch noch ein, der Ehegatte weigere sich, sich an den Kosten der Hausfinanzierung zu beteiligen, sodass er auch die monatlichen Raten tragen müsse. Zu weiteren Leistungen sei er deshalb im Moment nicht imstande. Was nun?

Die vom Schuldner aufgezeigte Fallkonstellation, die in der Praxis zuweilen auch nur in Teilbereichen anzutreffen ist, eröffnet eine ganze Reihe von Möglichkeiten.

Sehen, ob ein Zugewinn entstanden ist …

Die Zugewinngemeinschaft nach § 1363 ff. BGB ist der Regelgüterstand von zwei Ehegatten, greift also immer, wenn diese vertraglich nichts anderes vereinbart haben. In diesem Güterstand verbleibt jeder Ehegatte an seinem Vermögen verfügungsberechtigt, mehrt oder mindert es in der Ehezeit. Sein Vermögen am Anfang der Ehe muss deshalb ebenso festgestellt werden wie am Ende der Ehezeit. Die Differenz stellt den sogenannten Zugewinn dar. Endet die Zugewinngemeinschaft anders als durch Tod – dann gilt der erbrechtliche Zugewinnausgleich nach § 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 BGB –, etwa mit der Rechtskraft der Scheidung oder – wie in der Praxis häufig – durch eine Änderung des Güterstandes im Rahmen einer zuvor bereits geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung, so kann ein Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB entstehen. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten zu. Nicht selten ist der Schuldner einerseits der Verlassene, andererseits der Zugewinnberechtigte.

… und auf den richtigen Moment warten

Während der Ehezeit ist der Ausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB weder vererblich noch abtretbar, was nach §§ 851, 852 ZPO dazu führt, dass er in dieser Zeit auch nicht pfändbar ist. Mit der Beendigung des Güterstandes ändert sich dies aber nach § 1378 Abs. 3 BGB. Unmittelbar nach der rechtskräftigen Scheidung oder aber ab der notariellen Beurkundung der Scheidun...

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