Können Sie dem Drittschuldner vertrauen?

Ist die Praxis der Forderungspfändung nicht wunderbar einfach? Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird beantragt und der Drittschuldner teilt nach § 840 ZPO mit, welcher Betrag pfändbar ist oder auch, dass kein Betrag pfändbar ist. Damit kann man sich als Gläubiger zufrieden geben. Das setzt aber voraus, dass man sich auch sicher ist, dass der unpfändbare bzw. pfändbare Betrag vom Drittschuldner richtig berechnet wurde. Gerade bei der Pfändung von Arbeitslohn können sich diverse Streitfragen auftun, deren Beantwortung dem Gläubiger ein Mehr oder auch ein Weniger an pfändbaren Beträgen erbringt.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Besser als Vertrauen ist es deshalb, die Berechnung des pfändbaren Betrages durch den Drittschuldner nachzuvollziehen und auf dieser Grundlage mögliche Beanstandungen ihm gegenüber geltend zu machen und um eine Neuberechnung zu bitten. Nachfolgend sollen dazu zwei immer wiederkehrende Problemkreise angesprochen werden:

die Bestimmung der Zahl der zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Personen
die richtige Berechnung des Nettolohnes

Wichtig: Unterlagen anfordern

Wesentliche Voraussetzung für eine solche Kontrolle ist es, dass sich der Gläubiger die notwendigen Informationen beschafft. Grundlage der Informationsbeschaffung kann das Offenbarungsverfahren sein, wo der Schuldner Netto- und Bruttolohn ebenso wie die unterhaltsberechtigten Personen und deren Einkommen angeben muss. In Betracht kommt – nach der Pfändung – auch die Verpflichtung des Schuldners nach § 836 Abs. 3 ZPO. Der Schuldner ist danach verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Erteilt der Schuldner die Auskunft nicht, so ist er auf Antrag des Gläubigers verpflichtet, sie zu Protokoll zu geben und seine Angaben an Eides statt zu versichern. Die Herausgabe der Urkunden kann von dem Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung nach den §§ 883 ff. ZPO erwirkt werden. Zu den herauszugebenden Unterlagen gehören der Arbeitsvertrag, entgelt­relevante Betriebsvereinbarungen und natürlich die monatliche Lohnabrechnung (BGH NJW 2007, 606), soweit der Drittschuldner diese – wie in der Praxis häufig – nicht von sich aus herausgibt. Der Schuldner muss dabei nicht nur die Lohnabrechnungen ab der Pfändung, sondern regelmäßig auch die Lohnabrechnungen der letzten drei Monate vor der Pfändung herausgeben (BGH NJW 2007, 606).

 

Hinweis

Ob der Drittschuldner tatsächlich verpflichtet ist, die Lohnabrechnung herauszugeben, ist in der Rechtsprechung umstritten. Mit guten Gründen kann eine solche Verpflichtung aufgrund der mitgepfändeten Nebenrechte aber angenommen werden (AG Schwelm JurBüro 2010, 608; LG Koblenz JurBüro 1996, 663 und JurBüro 2010, 49; OLG Hamm JurBüro 1995; OLG Braunschweig InVo 2005, 239; a.A. LG Hildesheim DGVZ 1994, 156).

Unterhaltsberechtigte Personen: Relevant für Pfändungsumfang

Der pfändungsfreie Betrag ist ganz wesentlich auch von der Zahl der zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Personen beeinflusst. Die Steigerungen bei der Nichtberücksichtigung einer solchen Person sind ganz erheblich.

 

Beispiel

Der Schuldner ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Er erzielt ein Nettoeinkommen von 1.900 EUR. Ist er Ehefrau und Kindern zum Unterhalt verpflichtet und gewährt er ihn auch, sind lediglich 17,73 EUR monatlich pfändbar (lt. Pfändungsfreigrenzentabelle in der seit dem 1.7.2011 geltenden Fassung). Verfügt die Ehefrau über so viel eigenes Einkommen, dass sie sich selbst unterhalten kann, steigt der pfändbare Betrag schon auf 107,26 EUR an. Verdient die Ehefrau sogar so viel, dass sie auch ihrer eigenen Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern genügen kann, entfällt neben der Ehefrau eines der beiden Kinder, so dass sogar 241,95 EUR pfändbar sind.

Unterhaltsberechtigte Personen: Wer prüft?

Es stellt sich die Frage, wer dies prüft. Der Gläubiger selbst kann meist erst nachträglich reagieren, wenn er im Wege des Offenbarungsverfahrens oder nach § 836 Abs. 3 ZPO entsprechende Informationen vom Schuldner erlangt hat. Dass der Schuldner sich in der Praxis nicht als auskunftsfreudiger Kooperationspartner darstellt, bedarf keiner näheren Darlegung. Natürlich können auch öffentliche Informationsquellen eigenes Einkommen der gesetzlich Unterhaltsberechtigten offenbaren, insbesondere das Internet und hier die sozialen Netzwerke. Der Aufwand für den Gläubiger ist aber unbestreitbar hoch.

 

Hinweis

Erlangt der Gläubiger gleichwohl solche Erkenntnisse, kann und muss er unmittelbar mit einem Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO reagieren.

Arbeitgeber hat Pflichten

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss enthält regelmäßig keine Angaben zur Zahl der unterhaltsberechtigten Personen. Eine Ausnahme ergibt sich nur dann, wenn der Gläubiger mit dem Antrag auf den Erlass des PfÜB bereits einen Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO gestellt hat. Anderenfalls muss der Arbeitgeber die Zah...

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