Leitsatz

Die Nichtvorlage der Vollmacht des Gläubigers bei Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch einen Inkassodienstleister führt nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses und kann geheilt werden.

BGH, Beschl. v. 4.5.2022 – VII ZB 18/18

1 Der Fall

Forderungspfändung

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Endurteil über eine Forderung in Höhe von 5.528,63 EUR nebst Zinsen und Kosten. Am 24.1.2017 hat die Gläubigerin, vertreten durch die H mbH, eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleisterin, den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) beantragt. Das AG – Vollstreckungsgericht – hat den PfÜB am 30.1.2017 antragsgemäß erlassen.

Schuldner moniert fehlende Vollmachtsvorlage

Hiergegen hat der Schuldner ohne Erfolg Erinnerung eingelegt. Seiner sofortigen Beschwerde, die er unter anderem damit begründet hat, dass kein wirksamer Vollstreckungsauftrag vorgelegen habe, weil die Inkassodienstleisterin dem Antrag keine Vollmacht der Gläubigerin beigefügt hatte, hat das AG nicht abgeholfen und diese dem LG vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren hat die Inkassodienstleisterin eine Inkassovollmacht der Gläubigerin vom 6.2.2018 im Original vorgelegt. Mit Beschluss vom 2.3.2018 hat das LG die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren auf Aufhebung des PfÜB weiter.

LG sieht rechtmäßigen Erlass des PfÜB

Das LG hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, ausgeführt, dass der PfÜB zu Recht erlassen worden sei.

Die Vollstreckung sei durch einen wirksamen Antrag der Inkassodienstleisterin eingeleitet worden. Die Gläubigerin habe sich durch die Inkassodienstleisterin vertreten lassen dürfen (§ 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO). Die Vorlage einer Vollmacht nach § 80 ZPO sei bei einem Inkassobüro grundsätzlich nicht notwendig. Zudem hätten in der Gesamtschau keine Zweifel an der Wirksamkeit der Bevollmächtigung im Zeitpunkt der Antragstellung bestanden. Dem AG wie dem LG sei aus anderen Verfahren der Gläubigerin gegen den Schuldner hinlänglich bekannt, dass die Gläubigerin von der Inkassodienstleisterin vertreten werde. Weiter ergebe sich die Bevollmächtigung daraus, dass die Inkassodienstleisterin die vollstreckbare Ausfertigung des Endurteils vorgelegt habe, welche ihr von der Gläubigerin überlassen worden sein müsse. Schließlich habe die Gläubigerin im Beschwerdeverfahren die gerichtliche Aufforderung, zum Vorbringen des Schuldners Stellung zu nehmen, an die Inkassodienstleisterin zur Beantwortung weitergeleitet. Diese habe die Originalvollmacht vom 6.2.2018 eingereicht, welche sich ausdrücklich auf den Forderungseinzug gegen den Schuldner beziehe. Soweit der Schuldner sich unter Verweis auf § 80 S. 1 ZPO darauf berufe, dass die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen gewesen sei, verkenne er, dass diese Vorschrift nur Bedeutung für die Zukunft habe. Die Wirksamkeit der Vollmacht für vergangene Handlungen sei durch die aktuelle Vollmacht in Verbindung mit den genannten Gesichtspunkten hinreichend nachgewiesen, § 89 Abs. 2 ZPO.

2 II. Die Entscheidung

BGH folgt dem LG im Ergebnis

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das LG dem Begehren des Schuldners, den PfÜB vom 30.1.2017 aufzuheben, obwohl die in Vertretung der Gläubigerin handelnde Inkassodienstleisterin dem Antrag auf seinen Erlass keine Vollmacht beigefügt hatte, nicht entsprochen. Der Mangel ist geheilt.

Inkassodienstleister ist postulationsfähig

Die Gläubigerin durfte sich bei der Antragstellung durch die von ihr mit dem Forderungseinzug bevollmächtigte, im Rechtsdienstleistungsregister verzeichnete Inkassodienstleisterin (§§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 S. 1, 16 RDG) vertreten lassen.

Nach allgemeiner Meinung gelten für das Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 704 ff. ZPO neben den spezifischen Verfahrensvorschriften die allgemeinen prozessualen Regelungen der §§ 1 bis 252 ZPO sinngemäß (vgl. BGH NJW 2011, 929), also auch die Regelungen über die Vertretung nach §§ 78 ff. ZPO. Die nichtanwaltliche Vertretung ist hiernach bei der Zwangsvollstreckung nur nach Maßgabe des § 79 Abs. 2 ZPO zulässig (Keller, in: Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 1. Aufl. 2013, A 45). Die Vertretungsbefugnis der Inkassodienstleisterin folgt aus § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO, der bestimmt, dass im Verfahren der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen, mithin auch bei der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte gemäß §§ 828 ff. ZPO, Inkassodienstleiter als Bevollmächtigte auftreten dürfen.

Vollmacht war grundsätzlich vorzulegen

Entgegen der Auffassung des LG hatte die Inkassodienstleisterin ihre Bevollmächtigung bei Antragstellung durch Vorlage einer Vollmacht nachzuweisen. Das AG (§ 828 Abs. 1 ZPO) war gemäß § 88 Abs. 2 ZPO zur Prüfung der Vollmacht von Amts wegen verpflichtet. § 80 S. 1 ZPO bestimmt, dass der Nachweis der Vollmacht durch Einreichung der schriftlichen Vol...

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