AG sieht nicht wiederkehrendes Einkommen

Der Antrag der Schuldnerin ist nach § 36 Abs. 1 und 4 InsO, § 850i ZPO zulässig und teilweise begründet. Wenn eine nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste in den Insolvenzbeschlag fällt, so kann der Schuldnerin nach § 850i Abs. 1 ZPO so viel belassen werden, wie sie während eines angemessenen Zeitraums für ihren notwendigen Unterhalt und den ihrer unterhaltsberechtigten Personen benötigt.

Würdigung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse

Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin, insbesondere die sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen.

Die Schuldnerin hat von ihrem Arbeitgeber einen Abfindungsbetrag in Höhe von 8.800 EUR brutto erhalten. Diese Abfindung zahlte der Arbeitgeber nach dem Vergleich vor dem LAG vom 10.12.2020 für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dieser Abfindungsbetrag ist dem Grunde nach in voller Höhe pfändbar. Der Schuldnerin kann nach § 850i ZPO von diesem Betrag so viel belassen werden, wie sie während eines angemessenen Zeitraums für ihren notwendigen Unterhalt sowie den der unterhaltsberechtigten Personen benötigt.

Einkommen ins Verhältnis zum Bedarfszeitraum setzen

Die Schuldnerin bezog in der Zeit vom 17.4.2019 bis zum 4.8.2020 Krankengeld in Höhe von 49 EUR täglich, 1.470,00 EUR monatlich. Das Arbeitsverhältnis endet nach dem geschlossenen Vergleich zum 31.3.2020. Über diesen Zeitpunkt hinaus stand die Schuldnerin somit im Krankengeldbezug und hatte regelmäßige Einkünfte in Höhe von 1.470,00 EUR.

Grundsätzlicher Bedarfszeitraum: sechs Monate

Ein angemessener Zeitraum nach § 850i ZPO könnte ein Zeitraum sein, in dem sich die Schuldnerin aufgrund geringerer Einkünfte auf die neuen Lebensbedürfnisse einstellen muss. Grundsätzlich kann für die Umstellung ein Zeitraum von sechs Monaten angenommen werden.

Aber: Umstände des Einzelfalls

Die Schuldnerin hat jedoch vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung in einem Zeitraum von einem Jahr keine andere Arbeitsstelle antreten konnte. Der Zeitraum von einem Jahr ist nach einer langen Erkrankung auch angemessen. Für den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zu einem Jahr nach diesem Zeitpunkt kann der Schuldnerin so viel belassen werden, wie ihr verbliebe, wenn sie ihr Arbeitseinkommen aus einem laufenden Arbeits- oder Dienstverhältnis beziehen würde. Dem Einkommen aus laufenden Arbeits- oder Dienstbezügen sind Einkommen aus laufenden Geldleistungen gleichzustellen (§ 54 IV SGB I). Es ist daher der Betrag des Krankengeldes, das die Schuldnerin bereits seit April 2019 bezogen hat, zugrunde zu legen. Bis zum 4.8.2020 hat die Schuldnerin durchgehend Krankengeld in gleichbleibender Höhe bezogen. Erst nachdem sie am 4.8.2020 aus dem Krankengeld ausgesteuert wurde, musste sie eine Reduzierung ihres monatlichen Einkommens auf eine Spanne von 1.111,21 EUR bis 1.280 EUR monatlich hinnehmen.

Eine Aufstockung des geringen Einkommens kann daher für den Zeitraum von August 2020 bis März 2021 vorgenommen werden.

Das AG berechnet dann die Differenz zwischen den tatsächlichen Einnahmen und dem bisherigen Krankengeldbezug. Danach ergibt sich für den Zeitraum vom 1.8.2020 bis 31.3.2021 ein nicht gedeckter Teil des Lebensunterhalts in Höhe von 2.622,84 EUR. Dieser Betrag wird der Schuldnerin nach § 850i ZPO pfändungsfrei gestellt.

Keine Entscheidung zum Weihnachtsgeld

Hinsichtlich des weitergehenden Antrags bezüglich der Freigabe der Jahressonderzahlungen erfolgt keine ausdrückliche Feststellung. Weihnachtsvergütungen sind bereits nach § 850a Nr. 4 ZPO in dort bestimmter Höhe unpfändbar und es bedarf daher keiner weiteren Bestimmung. Weitere Zuwendungen sind im Rahmen der §§ 850 a–c ZPO pfändbar. Für eine weitere Freigabe besteht im Rahmen des Pfändungsschutzes nach den § 850 ff. ZPO keine Grundlage.

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