Leitsatz

Der Antragsgegner kann in einem Mahnverfahren schon vor Erlass des Vollstreckungsbescheids durch einseitige Erklärung gegenüber dem AG (Mahngericht) auf den Rechtsbehelf des Einspruchs wirksam verzichten.

BGH, Beschl. v. 1.4.2021 – III ZR 47/20

1 Der Fall

Mahnbescheid mit Widerspruch, Rücknahme und Verzicht auf Einspruch

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von 2.200 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Am 19.8.2016 hat die Klägerin über diese Forderung, die ihren Angaben zufolge auf einem Dienstleistungsvertrag beruht, beim AG – zentrales Mahngericht – einen Mahnbescheid erwirkt. Hiergegen hat der Beklagte mit am 31.8.2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben Widerspruch eingelegt. Unter dem 17.1.2018 hat der Beklagte einen an das AG adressierten Vordruck der Klägerin unterschrieben, mit dem er erklärt hat, seinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid zurückzunehmen und auf den Einspruch gegen den noch zu erlassenden Vollstreckungsbescheid zu verzichten. Auf Antrag der Klägerin hat das AG sodann am 20.2.2018 einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Hiergegen hat der Beklagte mit am 26.2.2018 eingegangenem Schreiben Einspruch eingelegt. Zu dessen Begründung hat er ausgeführt, die Mitarbeiter der Klägerin hätten ihn mehrfach zuhause aufgesucht, damit er den Verzicht unterzeichne. Ein einseitiger Verzicht auf den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid vor dessen Erlass sei unwirksam.

Einspruch nach Verzicht führt zur Unzulässigkeit

Nach Abgabe der Sache hat das Streitgericht den Einspruch des Beklagten durch Urteil als unzulässig verworfen. Die hiergegen erhobene Berufung des Beklagten hat das LG zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, das Urteil des AG abzuändern und den gegen den Vollstreckungsbescheid des AG – Zentrales Mahngericht – eingelegten Einspruch aufrechtzuerhalten, weiter.

2 II. Die Entscheidung

BGH bestätigt Gläubiger in seinem Vorgehen

Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ist aufgrund der vom Beklagten unter dem 17.1.2018 abgegebenen und an das AG gerichteten Verzichtserklärung unzulässig.

Ein Rechtsbehelfsverzicht ist anzunehmen, wenn in der Verzichtserklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommt, die Entscheidung endgültig hinnehmen und nicht anfechten zu wollen (BGH, 5.9.2006 – VI ZB 65/05, NJW 2006, 3498 Rn 8 und 24.10.2017 – X ARZ 326/17, NJW-RR 2018, 250 Rn 12). Inhalt und Tragweite eines gegenüber dem Gericht erklärten Rechtsbehelfsverzichts sind danach zu beurteilen, wie die Verzichtserklärung bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist; ein davon abweichender innerer Wille des Handelnden ist unbeachtlich (vgl. BGH, 25.6.1986 – IVb ZB 75/85, NJW-RR 1986, 1327, 1328 und 7.11.1989 – VI ZB 25/89, NJW 1990, 1118).

Verzichtserklärung war eindeutig

Gemessen an diesen Grundsätzen kann nicht zweifelhaft sein, dass der Beklagte mit seiner von ihm unterschriebenen und unter Angabe der Geschäftsnummer an das Zentrale Mahngericht gerichteten Erklärung, in der die Streitparteien mit voller Namensnennung zutreffend bezeichnet sind und die in Fettdruck mit "Widerspruchsrücknahme zum Mahnbescheid" sowie "Verzicht auf Einspruch gegen den noch zu erlassenden Vollstreckungsbescheid" überschrieben ist, im Voraus den Verzicht auf das Recht zur Einspruchseinlegung gegen den – dann am 20.2.2018 erlassenen – Vollstreckungsbescheid erklärt hat. Es handelt sich um einen klaren und eindeutigen Rechtsbehelfsverzicht (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.1989, 5.9.2006 und vom 24.10.2017, jew. a.a.O.).

Da ein abweichender innerer Wille des Handelnden für die Auslegung einer solchen Erklärung unbeachtlich ist, ist es nicht von Belang, dass der Beklagte sich über Bedeutung und Tragweite eines Rechtsmittelverzichts nicht im Klaren gewesen sein will. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens, er habe mangels Gerichtserfahrung die Unwiderruflichkeit und Endgültigkeit des Verzichts nicht zutreffend erfasst, weil er Rentner und nicht juristisch vorgebildet, zum Zeitpunkt der Abgabe der von der Klägerin vorformulierten Erklärung nicht anwaltlich vertreten gewesen und zuvor (mehrfach) von einem Mitarbeiter der Klägerin zuhause an der Haustür aufgesucht worden sei, und er habe eine Erklärung in diesem Sinne, wie die kurz danach erfolgte Einspruchseinlegung zeige, offenbar nicht abgeben wollen.

Wirksame Verzichtserklärung

Die Verzichtserklärung ist wirksam. Ein gegenüber dem Gericht erklärter Rechtsbehelfsverzicht stellt eine einseitige Prozesshandlung dar. Er ist nicht nach bürgerlichem Recht wegen Willensmängeln anfechtbar (vgl. BGH, 14.6.1967 – IV ZR 21/66, NJW 1968, 794, 795; BGH, 8.5.1985 – IVb ZB 56/84, NJW 1985, 2334 f., 7.11.1989 a.a.O. und 16.12.1992 – XII ZB 144/92, JR 1994, 21 f; Toussaint, in: BeckOK-ZPO, § 346 Rn 4 [Stand: 1.12.2020]). Ebenso wenig dürfen auf ihn die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten zur Anwendung gebracht werden (vgl. RGZ 162, 65, 67 f). Ein Rechtsbehelfsverzicht ist auch grundsätzlich nicht w...

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