§ 851 ZPO: Das Ergebnis könnte richtig sein …

Die Ausführungen des Amtsgerichts zu § 851 Abs. 1 ZPO sind als Obersatz nicht zu beanstanden. Allerdings fehlt es dann an der notwendigen Subsumtion. Denn es wäre jetzt zu prüfen gewesen, was im konkreten Kontext denn die Zweckbindung ist und ob sich der Gläubiger innerhalb der Zweckbindung bewegt. Dazu geben etwa Art. 240 §§ 1–3 EGBGB, aber auch das Ziel, den Wirtschaftsbetrieb aufrechtzuerhalten und vor einer Insolvenz zu bewahren, Hinweise. Dann wäre zu klären gewesen, ob sich die Forderung des Gläubigers innerhalb oder außerhalb des Zweckbereiches bewegt. An all dem fehlt es. Es fehlt schon an tatbestandlichen Feststellungen dazu.

§ 850k Abs. 4 und § 851 ZPO: Das Ergebnis könnte vielleicht falsch sein …

Die Schwäche der Begründung der Entscheidung setzt sich bei der bloßen Behauptung fort, dass im Wege der teleologischen Reduktion § 851 ZPO zu den Pfändungsschutzvorschriften zu zählen ist, die § 850k Abs. 4 ZPO auf das P-Konto überträgt. Voraussetzung wäre nämlich, dass eine Gesetzeslücke vorliegt. Dazu fehlt jede Feststellung. Möglicherweise scheitert die Annahme einer Gesetzeslücke aber schon daran, dass der Gesetzgeber ganz ersichtlich eine Reihe von Pfändungsschutzvorschriften vor Augen hatte und deshalb mehr dafür sprechen könnte, dass er auf die Einbeziehung von § 851 ZPO bewusst verzichtet hat, als dass er ihn übersehen haben könnte. Insoweit muss gesehen werden, dass auch der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf eines "Gesetzes zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG)" keine Aufnahme des Pfändungsschutzes nach § 851 ZPO vorsieht, vgl. § 906 ZPO-E (BR-Drucks 166/20).

Das mag vor dem Hintergrund, dass § 765a ZPO herangezogen werden kann, wenn atypische Situationen zu beurteilen sind, auch gut erklärt werden (siehe hierzu LG Köln v. 23.4.2020 – 39 T 57/20, FoVo 2020, 95; AG Bergisch-Gladbach v. 8.4.2020 – 39 M 1232/17). Zu sehen ist dabei, dass § 765a ZPO bewusst zusätzliche Voraussetzungen normiert, nämlich eine besondere Härte, die gegen die guten Sitten verstößt. So könnte der Schuldner noch über anderes Vermögen verfügen, das seinen Lebensunterhalt sichert und den Geschäftsbetrieb aufrechterhält, und der Gläubiger könnte zur Gruppe derer gehören, die den Schuldner genau hier versorgen, den Warenlieferanten, den Vermietern oder den Darlehensgebern, um nur einige Beispiele zu nennen. Das verlangt tatsächliche Feststellungen und eine abwägende Entscheidung, an der es fehlt.

Schlecht gemacht: Der Gläubiger agiert nicht

Der Gläubiger hat – so ist die Entscheidung wohl zu lesen – die Möglichkeit gehabt, sich zu äußern, ohne davon Gebrauch zu machen. Das ist sicher ein Fehler. Die vorgenannten Argumente gehören von einem Gläubiger bzw. seinem Rechtsdienstleister, der die Pfändung ausbringt, nämlich gedacht, geprüft und dann auch präsentiert. Wird das Gericht argumentativ nicht gefordert, darf man sich nicht wundern, wenn bei hoher Belastung auch nicht alle Gesichtspunkte vertiefend abgehandelt werden.

Gut gemacht: Aufschieben der Wirksamkeit

Damit das Kind nicht in den Brunnen fällt, hat das AG völlig zu Recht die Vollziehung der Entscheidung ausgesetzt. Das gibt dem Gläubiger die Möglichkeit, die Sichtweise im Rechtsmittelwege überprüfen zu lassen. Da er im Beschwerdeverfahren nach § 571 Abs. 2 ZPO neue Angriffs- und Beweismittel vorbringen kann, kann er zu den vorstehenden Aspekten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ergänzend vortragen. Nach den wenigen Angaben im Tatbestand bleibt offen, ob es im Ergebnis zum Erfolg führen könnte. Die Voraussetzungen würden jedenfalls besser geklärt.

FoVo 6/2020, S. 117 - 119

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