Zweimal liegt das AG richtig …

Mit dem AG ist davon auszugehen, dass das Vollstreckungsorgan jede selbstständig mit Vollstreckungsanspruch verfolgte Kostenforderung überprüfen kann, soweit die Beitreibung nach § 788 Abs. 1 ZPO mit dem Hauptanspruch erfolgt. § 788 ZPO verlangt die Notwendigkeit der mit beizutreibenden Kosten. Dies zu prüfen, gehört zu den Obliegenheiten des Vollstreckungsorgans.

Wer sich als Gläubiger oder dessen Rechtsdienstleister der Mühe entziehen will, sich bei jedem Vollstreckungsantrag mit allen Kosten der Vergangenheit auseinanderzusetzen, kann einen Festsetzungsantrag nach § 788 Abs. 2 ZPO stellen. Zuständig ist das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist. Ergeht dann im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO ein Kostenfestsetzungsbeschluss, stellt dieser einen eigenständigen Vollstreckungstitel dar, § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Erst dann sind die – festgesetzten – Kosten der bisherigen Zwangsvollstreckung der Beurteilung der Vollstreckungsorgane entzogen. Die Festsetzung kann auch wiederholt erfolgen.

Zutreffend ist auch die nicht nur obergerichtlich, sondern höchstrichterlich bestätigte Ansicht, dass die Kosten der Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO erstattungsfähig sind. Die Einholung der Drittauskünfte stellt sich als gesonderte Vollstreckungsangelegenheit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar.

… und einmal wenig überzeugend daneben

Kaum überzeugen kann die Auffassung, dass die Kosten der Vorpfändung nicht erstattungsfähig sind. Zunächst zieht das AG – zutreffend – nicht in Zweifel, dass für den Rechtsdienstleister eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG entstanden ist, wenn der vertraglichen Vereinbarung mit dem Gläubiger das RVG zugrunde liegt. Nach § 4 Abs. 4 RDGEG macht es keinen Unterschied, ob die Vorpfändung durch den Inkassodienstleister oder den Rechtsanwalt erfolgt ist. In beiden Fällen sind die Rechtsverfolgungskosten nach § 788 ZPO erstattungsfähig.

Nach § 788 ZPO müssen die Kosten der Rechtsverfolgung notwendig gewesen sein. Was das AG verkennt – ohne dass ersichtlich ist, dass der Gläubiger noch einmal darauf hingewiesen hat –, ist der Umstand, dass die Notwendigkeit aus der Ex-ante-Sicht zu beurteilen ist (BGH NJW-RR 2003, 1581; BGH NJW 2012, 3789 Rn 11; BGH NJW 2014, 2508; BGH NJW-RR 2015, 59 Rn 5; OLG Düsseldorf Rpfleger 1975, 265; OLG Brandenburg JurBüro 2007, 548; Zöller/Stöber, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 788 Rn 9a; MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. 2016, § 788 Rn 25). Die Betrachtungsperspektive ist deshalb genau umgekehrt zu der des AG:

Nur wenn der Gläubiger sicher sein kann, dass kein konkurrierender Gläubiger zugreift, muss er auf die Vorpfändung verzichten. Ansonsten ist es im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweckmäßig und erforderlich, eine Vorpfändung zu beantragen;
Gepfändet wird nur der angebliche Anspruch des Schuldners (allgemeine Meinung, vgl. nur Musielak/Voit/Becker, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 829 Rn 8a; BeckOK-ZPO/Riedel, 35. Edition, Stand 1.1.2020, § 829 Rn 38; MüKo-ZPO/Smid, 5. Aufl. 2016, § 829 Rn 22). Deshalb steht die Notwendigkeit der Forderungspfändung nur in Frage, wenn sichere Kenntnis beim Gläubiger vorliegt, dass der zu pfändende Anspruch nicht besteht. Für die Vorpfändung kann insoweit nichts anderes gelten. Es macht dann aber keinen Sinn, zu einer aus der Ex-ante-Sicht nachvollziehbaren Beantragung einer Vorpfändung die nachfolgende Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu verlangen, wenn auf die Vorpfändung vom Drittschuldner – überobligatorisch, weil nach § 840 ZPO dazu keine Verpflichtung bestand – das Nichtbestehen des Anspruches versichert wird. Ob sich diese Maßnahme später als überflüssig oder nutzlos erweist, ist ohne Bedeutung (bisher allgemeine Meinung: vgl. nur OLG Hamburg NJW 1963, 1015; OLG Karlsruhe Justiz 1986, 410; LG Stuttgart JurBüro 2001, 47; AG Geldern DGVZ 2003, 76; AG Heilbronn DGVZ 2003, 13; AG Frankfurt DGVZ 1994, 127).

Beide Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht gegeben, weshalb die Entscheidung in der Sache falsch ist.

Vorteile für den Schuldner in der Praxis nicht gesehen

Das AG übersieht die Vorteile, die eine Vorpfändung in der Praxis für den Schuldner hat. Die Vorpfändung informiert ihn, dass der Gläubiger die zwangsweise Durchsetzung des Anspruches ernsthaft betreibt, und gibt ihm so Gelegenheit, noch einmal eine gütliche Einigung zu suchen. Die Vorpfändung ist dabei nicht nur um ein Vielfaches kostengünstiger als die eigentliche Pfändung, sondern sie läuft auch aus, während das bloße Ruhen einer ausgebrachten Pfändung eine höhere Belastung begründet. Wenn der Gläubiger künftig befürchten muss, dass die Verweigerung der Erstattung der Kosten der Vorpfändung mit vorher nicht absehbaren Entwicklungen begründet wird, werden aber vermehrt direkt Pfändungen nach §§ 829, 835 ZP...

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