Leitsatz

Ein Verstoß gegen ein Pfändungsverbot führt nicht zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, sondern nur zur Anfechtbarkeit; er ist bis zur Aufhebung auf ein Rechtsmittel vom Schuldner und vom Drittschuldner zu beachten.

Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über das gegen den Beschluss eingelegte Rechtsmittel.

BGH, 23.10.2008 – VII ZB 16/08

1 Der Fall

Forderung aus Lebensversicherung gepfändet

Auf Antrag des Gläubigers hat das AG am 24.5.2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) wegen einer Forderung von rd. 280.000 EUR erlassen, mit dem u. a. die Forderung des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung "einschließlich etwaiger künftig fällig werdender Ansprüche aus dem gleichen Rechtsgrund" gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wurde. Bei dieser Lebensversicherung handelt es sich um eine der Altersversorgung dienende Firmendirektversicherung. Diese befand sich bei Erlass des PfÜB noch in der Ansparphase. Der Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen die Drittschuldnerin wurde am 1.1.2007 mit Eintritt des Versicherungsfalles fällig. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Lebensversicherung ein arbeitgeberfinanziertes Deckungskapital von 206.209,10 EUR.

Der Schuldner hat zunächst ohne Begründung gegen den PfÜB Erinnerung eingelegt. Nachdem ihm mehrmals antragsgemäß Fristverlängerung gewährt worden war, hat er sie begründet, worauf das AG sie als unbegründet zurückgewiesen hat. In seiner sofortigen Beschwerde hat der Schuldner unter Vorlage entsprechender Urkunden vorgetragen, er habe den Auszahlungsanspruch am 3.10.2006 an seinen Bruder abgetreten, die Abtretung sei am 2.1.2007 nochmals von beiden bestätigt worden.

Die sofortige Beschwerde hat das LG unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

2 Die Entscheidung

Pfändungsverbot führt nicht zur Nichtigkeit …

Die Rechtsbeschwerde des Schuldners wurde vom BGH zurückgewiesen. Mit dem PfÜB vom 24.5.2006 wurde der künftige Anspruch des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Auszahlung der Versicherungssumme gepfändet. Der BGH muss nicht entscheiden, ob, wie die Rechtsbeschwerde meint, § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG nicht nur für das Anwartschaftsrecht, sondern auch für diesen künftigen Anspruch gilt. Denn ein Verstoß gegen ein Pfändungsverbot führt nicht zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, sondern nur zur Anfechtbarkeit; er ist bis zur Aufhebung auf ein Rechtsmittel vom Schuldner und vom Drittschuldner zu beachten (Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, 4. Aufl., § 829 Rn 29; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 829 Rn. 24; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn. 748, 750). Ein besonders schwerer, offenkundiger Fehler, der Nichtigkeit zur Folge haben könnte, liegt hier nicht vor.

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es sich bei § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB handelt (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 4. Aufl., § 2 Rn 284). Die sich hieraus ergebende zivilrechtliche Nichtigkeit der Abtretung ist für die Frage, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als staatlicher Hoheitsakt unwirksam ist, ohne Bedeutung.

Da die Pfändung wirksam war, ist die behauptete Abtretung der gepfändeten Forderung an den Bruder des Schuldners, die im Verfahren nach § 766 ZPO grundsätzlich ohnehin nicht geltend gemacht werden kann (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 710), der Gläubigerin gegenüber unwirksam, § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 135, 136 BGB.

… sondern nur zur heilbaren Anfechtbarkeit

Eine – unterstellte – Fehlerhaftigkeit und Anfechtbarkeit des PfÜB wurde dadurch geheilt, dass am 1.1.2007 der Versicherungsfall eintrat und der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der Versicherungssumme fällig wurde; auf diesen Gesichtspunkt wurde der Schuldner bereits durch die Begründung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über die Erinnerung hingewiesen. Der Pfändung standen keine Vollstreckungshindernisse mehr entgegen. § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG gilt dann nicht mehr, wenn die Versorgungsanwartschaft zum Vollrecht erstarkt ist (Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 4. Aufl., § 2 Rn 279).

Da die Leistung aus der Lebensversicherung nicht als Rente, sondern als Kapitalabfindung gewährt wird, greifen auch die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO nicht ein. Schutz kann in diesem Fall nur unter den Voraussetzungen des § 850i ZPO auf Antrag gewährt werden (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 892a, 920, 872; vgl. auch Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850 Rn 48). Die zunächst – unterstellt – begründete Erinnerung des Schuldners wurde damit unbegründet. Das war bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung, nicht diejenige zur Zeit der Pfändung oder der Einlegung der Erinnerung (Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 766 Rn 27; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, 4. Aufl., § 76...

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