Leitsatz

1. Die Pfändungsschutzvorschrift des § 850i ZPO findet im Zwangsverwaltungsverfahren keine entsprechende Anwendung.

2. Dem Schuldner sind im Zwangsverwaltungsverfahren Mittel für seinen Unterhalt nur nach Maßgabe von § 149 Abs. 3 ZVG und unter den dort genannten Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen.

BGH, Beschl. v. 10.10.2009 – V ZB 154/18

1 I. Darum geht es im Kern

Der BGH hat zum Pfändungsschutz in der Immobiliarzwangsvollstreckung eine gläubigerfreundliche Entscheidung getroffen, die die frühzeitige Beantragung einer Zwangssicherungshypothek und in der Folge die Beantragung der Zwangsverwaltung bei vermieteten Objekten des Schuldners attraktiv erscheinen lässt.

Der Schuldner bekommt Teile der Mieteinkünfte nach § 850i ZPO

Der Schuldner ist Eigentümer einer aufgrund des Gläubigerantrages aus drei vollstreckbaren Grundschulden unter Zwangsverwaltung stehenden Wohnung. Auf Antrag des Schuldners hat das AG den Zwangsverwalter angewiesen, an den Schuldner aus den Erträgen der Immobilie vorrangig zu den Zahlungen laut Teilungsplan bis auf weiteres monatlich 511,05 EUR – die Grundsicherung von 416 EUR und eine Versicherungsprämie von 95,05 EUR – zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin hat das LG unter Zulassung der Rechtsbeschwerde im Wesentlichen zurückgewiesen. Der Streit dreht sich um die Frage, ob die Mieterträge am Pfändungsschutz des § 850i ZPO teilnehmen.

2 II. Die Entscheidung und die Folgen kurz zusammengefasst

Mieteinkünfte und § 850i ZPO

Der BGH teilt den – soweit ersichtlich unstreitigen – Ansatz des LG, dass Mietforderungen der Pfändungsschutzvorschrift des § 850i ZPO unterfallen (BGH FoVo 2014, 164; BGH FoVo 2015, 155; BGH FoVo 2016, 111; BGH FoVo 2018, 114).

 

Hinweis

Nach § 850i ZPO hat das Gericht bei der Pfändung sonstiger Einkünfte des Schuldners, die kein Arbeitseinkommen sind, dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde, d.h. er Pfändungsschutz nach § 850c ZPO hätte.

Keine Norm der Immobiliarzwangsvollstreckung

Die Pfändungsschutzvorschrift des § 850i ZPO findet allerdings im Zwangsverwaltungsverfahren keine unmittelbare Anwendung. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, weil die Mietforderung in der Zwangsverwaltung nicht gepfändet wird.

 

Hinweis

Allerdings erfasst die Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung nach § 1123 Abs. 1 BGB, § 148 i.V.m. § 21 Abs. 2 ZVG auch die Miet- und Pachtforderungen.

Nichts anderes ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes, weil die Norm der Mobiliar- und nicht der Immobiliarzwangsvollstreckung zugeordnet ist. Anders als § 36 Abs. 1 S. 2 InsO enthält das ZVG keine Regelung, nach der die Pfändungsschutzvorschriften der ZPO bei der Zwangsverwaltung entsprechend anzuwenden sind.

Auch für eine analoge Anwendung ist nach dem BGH kein Raum. Aus § 149 Abs. 3 und § 150e ZVG, wonach bei landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder gärtnerischer Nutzung eine Erträgnisbeteiligung des Schuldners stattfinde, folge im Umkehrschluss, dass dies in anderen Fällen nicht erfolge. Trotz der Änderung von § 850i ZPO habe der Gesetzgeber darauf verzichtet, auch § 149 Abs. 3 ZVG anzupassen.

Privilegierung ist auch sachlich nicht gerechtfertigt

Der BGH sieht auch eine unterschiedliche Gläubigerstellung. In der Zwangsverwaltung sind alle Kosten für die Erwirtschaftung des Ertrages schon berücksichtigt. Es wird – anderes als in der Forderungspfändung – auf den Nettoertrag zugegriffen. Auch ist der Zugriff mit einem höheren Risiko verbunden. Ist der Zwangsverwalter nicht in der Lage, das Wohngeld aus den Erträgen der Verwaltung aufzubringen, hat der Gläubiger, der die Anordnung der Zwangsverwaltung erwirkt hat, ihm beispielsweise die notwendigen Beträge als Vorschuss bereitzustellen.

Die Chancen des Gläubigers

Nach dem BGH ist es deshalb in der Sache nicht gerechtfertigt, den Gläubiger für den Unterhalt des Schuldners aufkommen zu lassen. Der Schuldner kann also aus den Mieteinnahmen keinen unpfändbaren Betrag für sich verlangen. In der Konsequenz kann dies bedeuten, dass es für den Gläubiger einer 750 EUR übersteigenden Forderung günstiger sein kann, eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen und daraus die Zwangsverwaltung zu betreiben, wenn der Schuldner außer den Mieteinnahmen über kein pfändbares Arbeitseinkommen verfügt. Bei einer Pfändung nach §§ 829, 835 ZPO würde dem Schuldner über § 850i ZPO nämlich ein Pfändungsfreibetrag nach der Tabelle zu § 850c ZPO verbleiben. Welche der beiden Alternativen die bessere ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

FoVo 2/2020, S. 39 - 40

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge