Räumungstitel ist gegen den Besitzer erforderlich

Die nach § 793 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerde akzeptiert offenbar den Ausgangspunkt der amtsgerichtlichen Überlegungen, dass aus einem Räumungstitel gegen den Mieter einer Wohnung nicht gegen einen im Titel nicht aufgeführten Dritten vollstreckt werden kann, wenn dieser Mitbesitzer ist (BGH DGVZ 2004, 138), wobei dies auch dann gilt, wenn der Verdacht besteht, dass dem Dritten der Besitz nur eingeräumt worden ist, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln (BGH DGVZ 2009, 12).

Die Auffassung des Gläubigers, vorliegend sei erstinstanzlich der Mitbesitz des Sohnes an dem zu räumenden Anwesen nicht hinreichend sicher festgestellt worden, ist unzutreffend.

Mitbesitz minderjähriger und volljähriger Kinder prüfen

Wer Besitzer ist, bestimmt sich nach den §§ 854 ff. BGB (BGH DGVZ 2004, 138). Nach § 855 BGB ist lediglich Besitzdiener derjenige, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, so dass er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen (des Besitzers) Folge zu leisten hat. Dies nimmt der Bundesgerichtshof z.B. bei minderjährigen Kindern des Räumungsschuldners an. Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben daher grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam benutzten Wohnung (BGH DGVZ 2008, 168).

Die Besitzverhältnisse an der Wohnung, in der die Familie lebt, ändern sich im Regelfall nicht, wenn das Kind volljährig wird und mit seinen Eltern weiter zusammenwohnt. In diesem Fall bleiben die nach Erreichen der Volljährigkeit weiter in der elterlichen Wohnung lebenden Kinder im Regelfall Besitzdiener, ohne dass es darauf ankommt, ob die Kinder unter der Adresse gemeldet sind und der Vermieter die tatsächlichen Verhältnisse kennt. Dies gilt selbst dann, wenn die Kinder verheiratet sind (BGH DGVZ 2008, 168). Diese Konstellation kann im vorliegenden Fall nicht gegeben sein. Der Mietvertrag ist am 3.11.2016 abgeschlossen worden und der am 23.7.1971 geborene Sohn war damals 45 Jahre alt.

Ehegatte ist auch Mitbesitzer

Im Gegensatz zu Kindern ist der in der Wohnung lebende Ehegatte des Mieters in der Regel als Mitbesitzer anzusehen. Dies ist darin begründet, dass die Ehegatten aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 BGB) verpflichtet sind, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung zu gestatten. Es würde der Stellung des jeweils anderen Ehepartners nicht entsprechen, ihm jede selbstständige Nutzungsbefugnis der Wohnung zu versagen und ihn im Sinne einer Besitzdienerschaft von den Weisungen des Ehepartners, der Partei des Mietvertrages geworden ist, abhängig sein zu lassen (BGH DGVZ 2004, 138).

Mitbesitz ist Frage des Einzelfalles

Im übrigen muss anhand der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles beurteilt werden, ob der Dritte Mitbesitzer oder nicht nur Besitzdiener ist. Anders als bei einem Ehepaar, das gemeinsam aufgrund der auf Lebenszeit angelegten Ehe in der ehelichen Wohnung lebt, kann bei einem Dritten wie z.B. dem nichtehelichen Lebensgefährten allein aus der Aufnahme in die Wohnung nicht auf einen Mitbesitz geschlossen werden. Vielmehr muss anhand der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles beurteilt werden, ob der Dritte Mitbesitzer oder nicht nur Besitzdiener ist.

Erste Prüfungskompetenz beim Gerichtsvollzieher

Die tatsächlichen Besitzverhältnisse hat der GV als Vollstreckungsorgan zu prüfen. Die Einräumung des Mitbesitzes an den Dritten muss durch eine von einem entsprechenden Willen getragene Handlung nach außen erkennbar sein. Aus den Gesamtumständen muss sich klar und eindeutig ergeben, dass der Dritte Mitbesitzer ist, weil das Zwangsvollstreckungsverfahren formalisiert ist und der Gläubiger vor einer Verschleierung der Besitzverhältnisse durch den Schuldner zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung geschützt werden muss.

Schutzwürdigkeit des Gläubigers wird gesehen

Anhaltspunkte, durch die sich nach außen die Einräumung des Mitbesitzes dokumentiert, sind die Anzeige des Mieters an den Vermieter von der beabsichtigten oder erfolgten Aufnahme des Dritten oder seine Anmeldung in der Wohnung nach den jeweiligen landesrechtlichen Meldegesetzen (BGH DGVZ 2008, 168). Die danach notwendigen Feststellungen sind allerdings auch nicht in einem Fall entbehrlich, in dem der Schuldner die Aufnahme des Dritten in die Wohnung dem Gläubiger nicht angezeigt hat, weil es grundsätzlich nur auf die vom Vollstreckungsorgan zu beurteilenden tatsächlichen Besitzverhältnisse ankommt (BGH DGVZ 2008, 168).

Im konkreten Fall: eindeutiger Mitbesitz

Aus den Ausführungen des GV und in seiner Nichtabhilfeentscheidung sind hinreichende äußere Anzeichen eines Mitbesitzes des Sohnes an dem Anwesen gegeben. Wie der GV festgestellt hat, ergab sich bei der Inaugenscheinnahme des Anwesens und den Aussagen von S...

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