Der BGH gibt der Gläubigerin Recht

Grundlage des Begehrens der Klägerin ist § 816 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet, wenn an ihn eine Leistung bewirkt worden ist, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. Diese Voraussetzungen sind auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts hier erfüllt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Versicherungssumme an die Beklagte zu 2) ausgezahlt worden.

Der Klägerin stand aufgrund der am 2006 gemäß § 829 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ZPO durch Zustellung an den Versicherer wirksam gewordenen Pfändung ein Pfändungspfandrecht am Anspruch auf die Ablaufleistung zu, welches etwaigen Rechten der Beklagten zu 2 hieran vorging.

Wirksame Pfändung vor Insolvenz

Die Klägerin hat die Ansprüche des Beklagten aus der Lebensversicherung gemäß §§ 829, 835 ZPO wirksam gepfändet. Gemäß § 829 Abs. 3 ZPO ist die Pfändung mit Zustellung des PfÜB an den Versicherer wirksam geworden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hat dieses Pfändungspfandrecht mit der Freigabe der gepfändeten Forderung durch die Treuhänderin wieder volle Wirksamkeit erlangt, ohne dass eine erneute Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erforderlich gewesen wäre.

§ 88 InsO steht dem nicht entgegen

Nach § 88 InsO (Fassung 1994) wird eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag durch Zwangsvollstreckung erlangt hat. Wie sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, gilt die Unwirksamkeit nicht nur im Verhältnis zu den übrigen Insolvenzgläubigern, sondern absolut (vgl. BGHZ 166, 74 Rn. 10 ff.; BGH WM 2017, 2037). Die Unwirksamkeit ist jedoch schwebend, gilt also nur so lange, wie dies für die Zwecke des Insolvenzverfahrens erforderlich ist. Sie erfasst die materiell-rechtliche Wirkung der Pfändung, mithin das Pfändungspfandrecht, nicht die Verstrickung.

InsO lässt Vollstreckung unberührt

Die Verstrickung besteht fort, wenn die sie begründende Vollstreckungshandlung nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben wird. Dies folgt zum einen aus § 836 Abs. 2 ZPO. Gemäß § 836 Abs. 2 ZPO gilt der Überweisungsbeschluss, auch wenn er zu Unrecht erlassen worden ist, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt. Dies ist zum Schutz des Drittschuldners auch im Insolvenzverfahren erforderlich, weil die Frage, ob es sich tatsächlich um eine Vollstreckungsmaßnahme eines einzelnen Insolvenzgläubigers und eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse handelt, im Einzelfall Zweifel aufwerfen kann. Da § 88 InsO nur bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen verbietet, ist es für den an der Vollstreckung nicht beteiligten Drittschuldner erforderlich, auf rechtssichere Weise Gewissheit zu erhalten, ob die gepfändete Forderung noch der Verstrickung unterliegt oder nicht. Zum anderen ist es zum Schutz des pfändenden Gläubigers vor unzumutbaren Eingriffen erforderlich, die durch die Pfändung bewirkte öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht weiter als erforderlich zu begrenzen. Der Gesetzgeber darf den durch Art. 14 Abs. 1 GG erfassten Rechtsschutzanspruch des Vollstreckungsgläubigers und seine durch die Zwangsvollstreckung erlangte Rechtsposition nur beschränken, soweit und solange überwiegende Gründe dies zwingend erfordern. Dies gilt umso mehr, als die Rückschlagsperre gemäß § 88 InsO unabhängig von der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses eintritt.

Gläubigerrecht lebt mit Ende der Insolvenz wieder auf

Besteht die Verstrickung fort, lebt die Sicherung des Gläubigers wieder auf, wenn der betroffene Vermögensgegenstand vom Insolvenzverwalter freigegeben oder das Insolvenzverfahren ohne Verwertung des Gegenstandes aufgehoben wird. Einer erneuten Zustellung des PfÜB bedarf es angesichts der fortbestehenden Verstrickung nicht. Die durch die Zustellung bewirkte (§ 829 Abs. 3 ZPO) und während des Insolvenzverfahrens fortbestehende Verstrickung bietet einen ausreichenden Schutz des Drittschuldners davor, an einen Nichtberechtigten zu zahlen.

Soweit in der Kommentarliteratur eine erneute Zustellung für erforderlich gehalten wird (vgl. etwa MüKo-InsO/Breuer/Flöther, 4. Aufl., § 88 Rn 34), beruht dies auf der unzutreffenden Annahme, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verstrickung der gepfändeten Forderung unabhängig vom Fortbestand des PfÜB entfällt. Dies ist nicht der Fall.

Keine Aufhebung des PfÜB

Der von der Klägerin erwirkte PfÜB ist nicht aufgehoben worden. Die Treuhänderin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten hat die Ansprüche aus der Lebensversicherung nicht verwertet, sondern freigegeben. Damit ist das Pfändungspfandrecht der Klägerin wieder aufgelebt.

Die dem Beklagten 2013 erteilte Restschuldbefreiung wirkt sich auf das Pfändungspfandrecht der Klägerin un...

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