"Offensichtlich" ist nur die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung

So offensichtlich, wie das AG die Sach- und Rechtslage sieht, ist allein die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung. Der Grund liegt darin, dass jegliche juristische Prüfung unterbleibt. § 850k Abs. 4 ZPO verweist auf konkrete Pfändungsschutzvorschriften, die bei der Kontopfändung herangezogen werden können. Welche dieser Vorschriften das AG heranziehen will, wird weder dargelegt noch liegt dies auf der Hand. Entsprechend fehlt jede Darstellung der Voraussetzungen und jede Subsumtion. Tatsächlich ist keine der Vorschriften einschlägig.

Zu denken ist allenfalls an § 765a ZPO

Im konkreten Fall wäre allenfalls an § 765a ZPO zu denken gewesen. Danach kann die Zwangsvollstreckung eingestellt werden, wenn sie eine besondere Härte für den Schuldner darstellt, die gegen die guten Sitten verstößt. Allerdings liegen diese Voraussetzungen nicht vor, weil lediglich eine Gläubigerkonkurrenz vorliegt, die den Schuldner nicht besonders trifft. Seine Vermögenslage ändert sich nicht. Es findet lediglich ein Gläubigerwechsel statt. Bei einer Fehlüberweisung besteht kein Einstellungsgrund nach § 765a ZPO (AG Kassel FoVo 2015, 235).

Materielle und prozessuale Lage sehen

Zu sehen ist, dass mit der Überweisung des Rechtsanwaltes auf das Konto der Schuldnerin ein Auszahlungsanspruch der Schuldnerin gegen das Kreditinstitut entstanden ist. Das Recht des Rechtsanwaltes an dem Überweisungsbetrag ist untergegangen. Der Rechtsanwalt hat nun einen einfachen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB. Dieser untitulierte materielle Anspruch muss aber gegenüber dem Pfändungspfandrecht des Gläubigers zurückstehen. Die Schuldnerin wird dadurch nicht übermäßig hart getroffen. Im Umfang der Pfändung erlischt der Anspruch des Gläubigers. Die Verbindlichkeit diesem gegenüber wird ganz oder teilweise erfüllt. Zugleich entsteht eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Bereicherungsgläubiger (Rechtsanwalt). In der Summe hat sich die Vermögenslage nicht geändert.

FoVo 1/2019, S. 12 - 13

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