Problemüberblick

Im Mittelpunkt des Falles steht eine dogmatische Frage, nämlich die, was für einen Beschluss gilt, der angefochten worden ist. Ferner ist zu klären, wie eine Gerichtsentscheidung umzusetzen ist, mit der ein bereits ganz oder teilweise angefochtener Beschluss für ungültig erklärt wird.

Bindung an nicht nichtige, aber ordnungswidrige Beschlüsse

Auch dann, wenn ein Beschluss nicht ordnungsmäßig ist, bindet er nach seiner Rechtsnatur und nach den allgemeinen Grundsätzen sofort die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, den Verwalter und sämtliche an- und abwesenden Wohnungseigentümer, wenn er nicht nichtig ist.

Ist der Beschluss Grundlage einer Klage und ist er daneben im Wege der Anfechtungsklage angegriffen, ändert sich an dieser Bindung nichts. Die Bindung an einen nicht ordnungsmäßigen, aber nicht nichtigen Beschluss kann bekämpft und vernichtet werden. Dazu muss der Beschluss nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG angefochten und durch rechtskräftiges Urteil ex tunc (von Anfang an) für ungültig erklärt werden.

Folgenbeseitigungsanspruch

Wird ein Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt oder wird seine Nichtigkeit festgestellt, kann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Folgenbeseitigung haben. "Folgenbeseitigung" meint, dass Maßnahmen, die auf einem Beschluss beruhen, wieder rückgängig gemacht werden.

In Betracht kommt eine solche Rückgängigmachung zwar nicht für "Gebrauchsbeschlüsse", also solche die regeln, welcher Gebrauch erlaubt/verboten ist, oder für beschlossene Umlageschlüssel. Eine Rückgängigmachung ist aber für eine Erhaltungsmaßnahme und eine bauliche Veränderung, aber auch in Folge eines Beschlusses, auf dem Zahlungsansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beruhen, möglich. Ferner ist es möglich, dass die Wohnungseigentümer als Folgenbeseitigung bloß einen Beschlussmangel beseitigen. Der Folgenbeseitigungsanspruch beruht auf § 18 Abs. 2 WEG. Seine Voraussetzung ist allein, dass ein Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt oder seine Nichtigkeit festgestellt wird. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Anspruchsinhaber ist jeder Wohnungseigentümer.

Überblick:

  • Wird ein Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG für ungültig erklärt oder wird seine Nichtigkeit festgestellt, ist zwar die Rechtsgrundlage für Zahlungen entfallen. Ein Wohnungseigentümer kann aber keine Rückzahlung verlangen. Denn die Beschlüsse haben nach h. M. einen "Vorrang". Der Wohnungseigentümer habe gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur einen Anspruch auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr. Von den übrigen Wohnungseigentümern könne er die Beschlussfassung hierüber verlangen, was ggf. mit der Beschlussersetzungsklage durchzusetzen sei. Dieses "System" gelte auch dann, wenn zwischen der Zahlung und der erneuten Beschlussfassung ein Wohnungseigentum seinen Eigentümer gewechselt hat. Die Erfüllung eines Bereicherungsanspruchs aus Mitteln der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne erst und nur dann verlangt werden, wenn ein Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG für den entsprechenden Wohnungseigentümer ein Guthaben ausweise.
  • Geht es – wie im Fall – um Beschlüsse über Erhaltungsmaßnahmen und/oder bauliche Veränderungen, gilt in der Theorie etwas anderes. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist hier darauf gerichtet, dass der frühere Zustand möglichst wiederhergestellt wird. Eigentlich müsste der Verwalter, soweit er eine Vertretungsmacht hat, die Maßnahme also rückgängig machen lassen. Anspruchsinhalt muss aus rechtlichen und praktischen Gründen in der Regel aber eine Beschlussfassung sein. Diese muss bestimmen, ob und wie und durch wen dem Folgenbeseitigungsanspruch Rechnung getragen wird. Denn eine erfolgreiche Anfechtung muss nicht zwingend zur Folge haben, dass die aufgrund des Beschlusses durchgeführten Maßnahmen unbrauchbar sind. Möglich ist z. B., den Erstbeschluss zu wiederholen, etwa, wenn er nur formal fehlerhaft war. Ferner ist es möglich, einen dem ersten Beschluss entsprechenden Beschluss zu fassen, der materiell rechtmäßig ist. Kommt ausnahmsweise nur eine Rückgängigmachung in Betracht, ist zu beschließen, die auf dem für ungültig erklärten oder nichtigen Beschluss beruhenden Maßnahmen rückgängig zu machen. Für das "Ob" dieses Beschlusses besteht kein Ermessen. Die Wohnungseigentümer können aber bestimmen, auf welche Art und Weise die Maßnahme von wem mit welchen Mitteln rückgängig gemacht wird ("Wie").
  • Ist die Entscheidung, einen Vertrag zu schließen, rückgängig zu machen, besteht ein Anspruch darauf – sofern die Wohnungseigentümer nichts anderes beschließen –, diesen zu beenden, sofern das möglich ist (= zu kündigen, aufzuheben).
  • Hat der Verwalter aufgrund eines für ungültig erklärten Beschlusses an einen Dritten oder die Wohnungseigentümer Zahlungen geleistet, müssen die Wohnungseigentümer klären, ob sie den Fehler des für ungültig erklärten Beschlusses beheben oder ob sie die Zahlungen zurückverlangen wollen. Liegt es so, ist über ein außer...

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