Leitsatz

Türkische Staatsangehörige hatten am 24.12.1977 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe waren fünf Kinder hervorgegangen, die seit der Trennung der Eheleute im Jahre 1993 von der Kindesmutter betreut und versorgt wurden. Im Juli 2006 wurde der Ehefrau der Ehescheidungsantrag des Ehemannes zugestellt.

Zuvor hatte er bereits in seiner türkischen Heimat am 9.10.1998 die Scheidung seiner Ehe aussprechen lassen. Diesem Urteil war nach Art. 7 § 1 FamÄndG die Anerkennung zu versagen, weil der Ehefrau die Einleitung des Verfahrens nicht mitgeteilt worden war und sie sich deshalb auf das Verfahren nicht einlassen konnte. Von einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Zustellung der Klageschrift in dem Scheidungsverfahren in der Türkei konnte nicht ausgegangen werden.

Das AG hat die Ehe der Parteien durch Urteil vom 23.2.2007 geschiedenen und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es - bezogen auf den 30.6.2006 - zu Lasten des Versicherungskontos des Ehemannes bei der DRV Baden-Württemberg monatliche Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 173,93 EUR auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Baden-Württemberg übertragen hat.

Dabei hat das erstinstanzliche Gericht bei seiner Entscheidung für die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Eheleute eine Ehezeit vom 1.12.1977 bis zum 30.10.1997 (fiktiv) angenommen und damit gekürzte Anwartschaften beider Parteien zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der während der Ehezeit gem. § 1587 Abs. 2 BGB tatsächlich erworbenen Anwartschaften hätte sich ein weit höherer Ausgleichsbetrag errechnet.

Diesen Umstand rügte die Ehefrau mit ihrer Beschwerde und verlangte den vollständigen Ausgleich aller erworbenen Anwartschaften für ein Ehezeitende zum 30.6.2006.

Das Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt den teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587c BGB für nicht gerechtfertigt.

Soweit das erstinstanzliche Gericht gekürzte Anrechte für eine modifizierte Ehezeit vom 1.12.1977 bis zum 31.10.1997 angesetzt habe, begegne dies im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung Bedenken. Bei modifizierten Ehezeiten sei zur Ermittlung der auszugleichenden Teile der Versorgungsanrechte die anteilige Versorgungsanwartschaft auf das gesetzliche Ehezeitende zu ermitteln. Dem würden die Auskünfte des Versorgungsträgers nicht gerecht, weil sie die jeweils erworbenen Entgeltpunkte der Parteien bezogen auf das fiktive Ehezeitende mit dem zum fiktiven Stichtag aktuellen Rentenwert in eine Monatsanwartschaft umgerechnet hätten.

Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien sei der Versorgungsausgleich weder herabzusetzen noch auszuschließen. Bei der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz EGBGB handele es sich - ebenso wie bei § 1587c BGB - um eine anspruchsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter (BGH FamRZ 1990, 1341, 1342). Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes müsse der Beteiligte, der sich darauf berufe, dessen tatsächliche Voraussetzungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geltend machen.

Es sei nicht ersichtlich, dass die Ehefrau schon jetzt ein ausreichendes Vermögen besitze, das die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ihren Gunsten als ungerechtfertigt erscheinen ließe.

Auch soweit der Ehemann einwende, seine Inanspruchnahme sei wegen der langen Trennungszeit der Parteien seit dem Jahre 1993 und mit Blick auf das am 9.10.1998 ergangene Scheidungsurteil des türkischen Heimatgerichts grob unbillig, rechtfertige dies die vom erstinstanzlichen Gericht getroffene Entscheidung nicht. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei weder verjährt noch verwirkt. Die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Rechten würden im Bereich des Versorgungsausgleichs durch die Härteklausel des § 1587c BGB verdrängt, bei der es sich um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handele.

Das in der Türkei im Jahre 1998 ergangene Scheidungsurteil habe die Ehe der Parteien hinsichtlich des Versorgungsausgleichs nicht beendet. Eine Zustellung des dort eingereichten Scheidungsantrages an die Ehefrau sei nicht erfolgt.

Die Annahme einer groben Unbilligkeit sei auch im Hinblick auf die lange Trennungszeit der Parteien nicht gerechtfertigt. Zwar könnten im Einzelfall unter Würdigung der Gesamtumstände die Voraussetzungen des § 1587c BGB vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sei dies dann der Fall, wenn der Versorgungsausgleich dem Gedanken nicht mehr Rechnung trage, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim auch eine Versorgungsgemeinschaft sei. Für eine Aufteilung nach dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung fehle es an der eigentlich rechtfertigenden Grundlage dann, wenn und solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch Trennung der Eheleute aufgehoben sei. Grundsätz...

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