Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfordernis des Annahmewillens für eine wirksame Zustellung; Rechtsschutzbedürfnis für das Begehren eines höheren Ansatzes des Wertes der Beteiligung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AStG i. V. m. §§ 9 Abs. 2, 11 Abs. 1 und 3 BewG; Ansatz eines Paketzuschlags bei einer 25 % überschreitenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine wirksame Zustellung an den Prozessbevollmächtigten ist dann nicht bewirkt, wenn dieser mangels Annahmewillen das zuzustellende Schriftstück und das nicht ausgefüllte Empfangsbekenntnis unverzüglich an die zustellende Behörde zurücksendet.

2. Der Klage, mit der der Ansatz eines höheren Wertes im Rahmen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 AStG i. V. m. § 17 EStG und §§ 9 Abs. 2 und 11 Abs. 1 und 3 BewG begehrt wird, fehlt dann nicht das Rechtsschutzsbedürfnis, wenn dieser Ansatz im Rahmen der Besteuerung bei tatsächlichem Verkauf der Anteile nach § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG zu einem Verlust führen würde, der sich steuerlich ggf. durch Verlustrück- bzw. Verlustvorträge in mindestens gleicher Höhe auswirken würde.

3. Bei der Bewertung einer Beteiligung von 29,13 % am Grundkapital einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist grundsätzlich ein Paketzuschlag nach § 11 Abs. 3 BewG in Höhe von 10 % gerechtfertigt.

 

Normenkette

AStG § 6 Abs. 1; EStG § 17; BewG § 9 Abs. 2; VwZG § 5 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz eines Veräußerungsgewinns im Rahmen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz - AStG -.

Die Kläger begehren den Ansatz eines Veräußerungsgewinns bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG in Höhe von 90.960.800,-- DM statt 25.900.000,-- DM.

Am 10. Februar 1987 gaben die Kläger ihren inländischen Wohnsitz auf und verzogen nach ... in der Schweiz. Sie unterliegen dort der sog. Pauschalbesteuerung.

Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Eigentümer von 740.000 Aktien der ... im Nennwert von 50,-- DM je Aktie. Sie entsprachen einem Anteil von 29,13 % am Grundkapital der AG (37 von 127 Millionen DM). Diese Aktien hatte er im November 1986 in sein Privatvermögen im Rahmen der Beendigung einer steuerlichen Betriebsaufspaltung zwischen der ... und der ... Vermögensverwaltungs-GbR überführt und entsprechend § 16 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG - mit einem Entnahmewert pro Aktie von 475,-- DM versteuert. Aktien von insgesamt nominell 30 Millionen DM waren im November 1986 an institutionelle Daueranleger, von insgesamt nominell 60 Millionen DM im freien Börsenhandel veräußert worden. Im Rahmen der Plazierung der Aktien an der Börse durch den Konsortialführer ... AG hatte sich der Kläger verpflichtet, die ins Privatvermögen übernommenen Aktien nicht vor Ablauf eines Jahres zum Verkauf anzubieten oder zu veräußern. Durch Vertrag vom ... 1987 (Bl. 49 ESt-Akte) veräußerte der Kläger 500.000 Aktien für 543,-- DM/Aktie sowie 134.999 Aktien für 559,25 DM/Aktie an die ... AG. Die Übertragung erfolgte zum ... 1987.

Aufgrund des Wegzugs der Kläger in die Schweiz am ... 1987 legte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 1987 vom 15. August 1991 im Rahmen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG den an diesem Tag gültigen Börsenkurs von 510,-- DM als Veräußerungspreis pro Aktie zugrunde. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Ein sog. Paketzuschlag erfolgte nicht. Nach Abzug von Anschaffungskosten von 475,-- DM, dem Entnahmewert bei Aufgabe der Betriebsaufspaltung, errechnete der Beklagte einen Wertzuwachs von 35,-- DM je Aktie, insgesamt somit 25.900.000,-- DM. Am 13. November 1991 und 19. Februar 1996 (Bl. 100 ESt-Akte 1987) ergingen aufgrund von verschiedenen Mitteilungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - geänderten Bescheide.

Den gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 19. Februar 1996 durch die ... mbH am 12. März 1996 eingelegten Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück. Nachdem zunächst die Einspruchsentscheidung an den neuen Bevollmächtigten, die Prozessbevollmächtigte, bekannt gegeben werden sollte (vgl. Aktenvermerk Bl. 141 ESt-Akte), sollte später die Einspruchsentscheidung doch an die ursprünglich Bevollmächtigte, die ... mbH, bekannt gegeben werden (vgl. Aktenvermerk vom 15. Mai 1998, Bl. 143 ESt-Akte). Ein Widerruf der Vollmacht für die ursprünglich Bevollmächtigte lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Am 18. Juni 1998 wurde daher die Einspruchsentscheidung an die ... mbH Treuhandgesellschaft gegen Empfangsbekenntnis abgesandt (Bl. 150 ff. ESt-Akte). Mit Schreiben vom 30. Juni 1998 gab die ehemals Bevollmächtigte unter Bezugnahme auf ein vorhergehendes Telefonat die Einspruchsentscheidung und das unausgefüllte Empfangsbekenntnis an den Beklagten zurück, mit der Begründung, dass keine Berechtigung, das Schriftstück in Empfang zu nehmen, mehr vorgelegen habe (vgl. Bl. 160 ESt-Akte). Seit 1. Januar 1998 würden die Eheleute ... nicht mehr von ihr b...

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