Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der Ländergruppeneinteilung bei Wohnsitz des Ehegatten innerhalb der EU

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein Ehegatte unbeschränkt steuerpflichtig und beantragt der andere Ehegatte, der seinen Wohnsitz innerhalb der EU hat, die Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig zum Zweck der Zusammenveranlagung, dann ist bei der Prüfung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze der §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG - d.h. der Prüfung, ob die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte der Ehegatten den doppelten Grundfreibetrag nicht übersteigen - der Grundfreibetrag entsprechend der Ländergruppeneinteilung zu kürzen; diese Kürzung verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2; EGV Art: 48

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.09.2010; Aktenzeichen I R 28/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für den Kläger und seine Ehefrau eine Zusammenveranlagung durchzuführen ist.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er war im gesamten Streitjahr 2008 in D (Deutschland) als Arbeitnehmer beschäftigt und unterhielt aus beruflichen Gründen dort einen doppelten Haushalt. Sein Brutto-Arbeitslohn in 2008 betrug 29.170 €. Weitere Einkünfte hatte er nicht.

Seine Ehefrau wohnte in 2008 in Polen am Familienwohnsitz.

In seiner am 05.06.2009 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2008 beantragten der Kläger und seine Ehefrau die Zusammenveranlagung in Verbindung mit dem Antrag gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG, die Ehefrau als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

Der Einkommensteuererklärung beigefügt war eine "Bescheinigung EU/EWR", in der Einkünfte der Ehefrau in Höhe von 34.238,40 PLN angegeben waren (umgerechnet 9.849 €).

Der Beklagte erließ am 27.07.2009 einen Einkommensteuerbescheid, mit dem er nur den Kläger veranlagte; die Zusammenveranlagung lehnte er ab mit der Begründung, die Grenzwerte des § 1 Abs. 3 EStG i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG seien überschritten.

Seinen dagegen gerichteten Einspruch begründete der Kläger damit, dass durch die Gesetzesänderung des § 1a Abs. 1 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2008 die Ländergruppeneinteilung für EU-Bürger nicht mehr gelte.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.10.2009 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG könnten nicht dauernd getrennt lebende Eheleute zwar auf Antrag gemäß § 26 Abs. 1 S. 1, § 26b EStG zusammen veranlagt werden; Voraussetzung sei jedoch die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG oder die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG. Folglich sei eine Zusammenveranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG nur möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterlägen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen würden (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG sei der Grundfreibetrag zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen sei; die Kürzung sei nach der Ländergruppeneinteilung (BMF v. 09.09.2008, BStBl I 2008, S. 936) vorzunehmen.

Der Kläger sei nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Da die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG für eine Zusammenveranlagung vorlägen, könne über § 1 Abs. 3 EStG diese grundsätzlich beantragt werden. Allerdings lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung der nach Satz 2 vorgeschriebenen Kürzung nicht vor; die Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau unterlägen in 2008 zu weniger als 90% der deutschen Einkommensteuer und die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte der Ehefrau lägen über dem nach der Ländergruppeneinteilung gekürzten Grundfreibetrag.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG lägen unter Berücksichtigung der Einkünfte beider Ehegatten und der Verdoppelung des Grundfreibetrages vor. Eine Kürzung des Grundfreibetrages nach der Ländergruppeneinteilung sei innerhalb der EU nicht vorzunehmen, da diese gemeinschaftsrechtswidrig sei (Hinweis auf Korn, Kommentar zum EStG, § 1a EStG, Rz. 12).

Der Kläger beantragt,

  • unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 vom 27. Juli 2009 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2009 den Beklagten zu verpflichten, für den Kläger und seine Ehefrau unter Zugrundelegung der erklärten Besteuerungsgrundlagen eine Zusammenveranlagung für das Jahr 2008 durchzuführen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend zu seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vor, das Hessische Finanzgericht habe mit Urteil vom 25.06.2009 entschieden, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Wohnsitzstaat durch die Kürzung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Auch Blümich (§ 1 EStG,...

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