Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteilsergänzung bei Übergehen eines Änderungsbescheides im Klageverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

§ 109 FGO ist analog anzuwenden, wenn der Kläger trotz Ergehens eines - nicht den Gegenstand des Klagebegehrens betreffenden - Änderungsbescheides im Klageverfahren die Aufhebung der Einspruchsentscheidung und die Änderung des zuletzt vor Erlass der Einspruchsentscheidung ergangenen Steuerbescheides beantragt und das Gericht über diesen Antrag entschieden hatte.

Das Finanzgericht kann daher im Fall der Klageabweisung das Urteil dahin ergänzen, dass die Klage gegen den zuletzt ergangenen Änderungsbescheid abgewiesen wird.

 

Normenkette

FGO § 109

 

Tatbestand

Strittig ist, ob das Urteil vom 15. April 2010 wegen Nichtberücksichtigung des Änderungsbescheids vom 7. April 2010 nach § 109 FGO nachträglich zu ergänzen oder ob der Tatbestand des Urteils vom 15. April 2010 zu berichtigen ist.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger neben weiteren (hier nicht mehr streitbefangenen) Veranlagungszeiträumen auch für den Veranlagungszeitraum 1999 die von ihnen erklärten Strafverteidigungskosten in Höhe von 93.495,20 DM als Erwerbskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers, hilfsweise als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 15. April 2010 verwiesen.

Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte unter dem Datum vom 7. April 2010 -- gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 132 AO -- für den Veranlagungszeitraum 1999 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, der bezüglich der nacherklärten Kapitalerträge und Werbungskosten nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO für vorläufig erklärt worden war. Der Änderungsbescheid vom 7. April 2010 ist an die Verfahrensbevollmächtigte adressiert und enthält folgenden Hinweis: “für Herrn und Frau H. F. (die Klägerin, Anm. d. Neutralisierenden), E-Straße .., PLZ N“ (Zitat).

Beim Finanzgericht ging die Mitteilung über den Änderungsbescheid vom 7. April 2010 verbunden mit einer Bescheidausfertigung am 8. April 2010 ein (Bl. 128-132 PA). In dem Mitteilungsschreiben heißt es:

“In der Anlage übersende ich eine Kopie des geänderten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1999 der den Klägern mit Post vom 07.04.2010 bekannt gegeben wurde.“ (Zitat)

Das Mitteilungsschreiben vom 8. April 2010 und der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 7. April 2010 wurden mit Schreiben des Gerichts vom 12. April 2010 (Bl. 133 PA) an die Verfahrensbevollmächtigte zur Kenntnisnahme übersandt.

Einwände gegen den Änderungsbescheid vom 7. April 2010 wurden nicht erhoben.

Ausweislich des Tatbestandes des Urteils vom 15. April 2010 stellten die Kläger im Sitzungstermin am 15. April 2010 in Bezug auf den Veranlagungszeitraum 1999 den Antrag, die Einspruchsentscheidung vom 10. November 2006 aufzuheben und den zuletzt am 9. April 2001 geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 20. Februar 2001 dahingehend zu ändern, dass diejenige Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1999 festgesetzt wird, die sich ergibt, wenn die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um weitere Werbungskosten für Strafverteidigungsausgaben in Höhe von 93.495,20 DM gemindert werden (Bl. 148 PA). Diesen Klageantrag und auch die übrigen, hier nicht mehr streitbefangene Veranlagungszeiträume betreffenden Klageanträge wies der erkennende Senat durch Urteil vom 15. April 2010 (Bl. 142-152 PA) kostenpflichtig ab.

Das Urteil vom 15. April 2010 wurde den Verfahrensbeteiligten am 10. Mai 2010 zugestellt (Bl. 168/169 PA).

Unter Hinweis auf den Änderungsbescheid vom 7. April 2010 vertritt der Beklagte in seinem Fax vom 21. Mai 2010 die Auffassung, dass dieser gemäß § 68 S. 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens wegen Einkommensteuer für 1999 geworden sei und deshalb als Verfahrensgegenstand auf Seite 7 des Urteils vom 15. April 2010 unter einer (neuen) Textziffer 3. aufzunehmen sei. Das Urteil vom 15. April 2010 sei insoweit gemäß § 109 Abs. 1 FGO zu ergänzen (mit Hinweis auf Hübschmann/Hepp/Spitaler, Rz 99 zu § 68 und Tipke/Kruse, Rz 24 zu § 68).

Der Beklagte beantragt,

das Urteil vom 15. April 2010 gemäß § 109 Abs. 1 FGO dahingehend zu ergänzen, dass der Änderungsbescheid vom 7. April 2010 Gegenstand des Verfahrens geworden ist,

hilfsweise, das Urteil vom 15. April 2010 nach § 108 Abs. 1 FGO insoweit zu berichtigen, dass der Änderungsbescheid vom 7. April 2010 Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

  • den Antrag auf Urteilsergänzung und Tatbestandsberichtigung abzuweisen.

Sie meinen, der Änderungsbescheid für 1999 vom 7. April 2010 sei nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Wie vom Beklagten in seinem Schreiben vom 7. April 2010 an das Finanzgericht (Bl. 128 PA) zutreffend ausgeführt worden sei, sei dieser Bescheid lediglich den Klägern bekannt gegeben worden und nicht ihren Verfahrensbevollmächtigten. Das Schreiben vom 7. April 2010 sei den Verfahrensbevollmächtigten “einfach“ zur Kenntnisnahme übersandt worden. Gegen de...

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