Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebefugnis bei einer Anfechtungsklage gegen einen Aufhebungsbescheid nach § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG. Tatbegehung i. S. v. § 1 Abs 7 StraBEG durch das Erlangen eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils i. S. v. § 1 Abs. 1 StraBEG. § 370 Abs. 1 AO in Form der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs/-vorteils. Reichweite der Straf- und Bußgeldbefreiung gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StraBEG bei Feststellung eines überhöhten Verlustabzugs/ -vorteils. Erklärung der zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG im Fall der Tatbegehung durch das Erlangen eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils in Form der Feststellung eines überhöhten verbleibenden Verlustabzugs/-vorteils

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind nach Ergehen des auf § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG gestützten Aufhebungsbescheides bereits Änderungsbescheide ergangen, welche die bisher nicht berücksichtigten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften einbeziehen, entfällt dadurch nicht der mit dem Aufhebungsbescheid verbundene Nachteil. Die Klagebefugnis für die Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid ist gegeben.

2. Erreicht der Steuerpflichtige durch unvollständige Angaben in den Einkommensteuererklärungen hinsichtlich der erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften, dass überhöhte Verlustvorträge gem. § 10d Abs. 3 EStG 1990 bzw. Abs. 4 EStG 1997 vor dem Stichtag des § 1 Abs. 7 StraBeG festgestellt werden, liegen mit der Bekanntgabe der Verlustfeststellungsbescheide vollendete Taten i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG vor.

3. Überhöhte Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch einen gesonderten Feststellungsbescheid zugewiesen werden, stellen einen nicht gerechtfertigten Vorteil i. S. d. § 370 Abs. 1 2. Alt. AO dar.

4. Da § 4 Abs. 1 S. 1 StraBEG nicht verlangt, dass das Jahr der Tatvollendung mit dem Jahr, in dem sich die Tat auf entstandene Steueransprüche auswirkt, identisch ist, hat sich die Steuerstraftat der überhöhten Verlustfeststellungsbescheide für die Jahre 1996 bis 2002, welche in den Jahren 1999 bis 2003 ergangen sind, auf entstandene Steueransprüche ausgewirkt, wenn dadurch die ESt für 2002 in 2004 bzw. 2005 zu niedrig festgesetzt wird.

5. Einnahmen i. S. d. § 1 Abs. 2 StraBEG sind im Fall, dass die unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zunächst nur zu einer überhöhten Verlustfeststellung gem. § 10d Abs. 3 bzw. Abs. 4 S. 1 EStG geführt haben, für das Jahr zu erklären sind, in dem sie zugeflossen sind.

 

Normenkette

EStG 1990/1997 § 10d Abs. 3 S. 1; EStG 1990/1997 § 10d Abs. 4 S. 1; StraBEG § 10 Abs. 3 S. 1, § 1 Abs. 1, 7, § 4 Abs. 1 S. 1; AO § 370 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.10.2013; Aktenzeichen VIII R 26/10)

BFH (Beschluss vom 11.10.2013; Aktenzeichen VIII R 26/10)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 6. Juni 2006 über die Aufhebung der mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung vom 3. März 2005 bewirkten Steuerfestsetzung für 1996 bis 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2007 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Aufhebung der mit der Abgabe einer strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen zu Recht erfolgte.

I.

Der Kläger, von Beruf Gastwirt, wurde von dem Beklagten – dem Finanzamt – in den Streitjahren 1996 bis 2001 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, nichtselbstständiger Arbeit sowie teilweise aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Bis zum Veranlagungszeitraum 1999 erfolgte die Veranlagung des Klägers zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, seit dem Veranlagungszeitraum 2000 wird der Kläger einzeln zur ESt veranlagt.

Die ESt-Erklärungen für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 gingen am 30. April 1998 (für 1996), am 20. Mai 2000 (für 1997), am 26. Januar 2001 (für 1998), am 23. November 2001 (für 1999), am 26. November 2002 (für 2000) und am 30. April 2003 (für 2001) beim Finanzamt ein. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften wurden nicht und Einkünfte aus Kapitalvermögen lediglich für 1998 (in Höhe von 192.898 DM), für 2000 (in Höhe von 1.791 DM) und für 2001 (in Höhe von 2.983 DM) erklärt. In den daraufhin ergangenen ESt-Bescheiden für 1996 bis 2001 wurde die ESt aufgrund hoher Verluste aus Gewerbebetrieb bzw. aufgrund der Berücksichtigung von Verlustabzügen jeweils mit null DM festgesetzt, wie sich im Einzelnen aus der nachfolgenden Tabelle ergibt:

Veranlagungszeitraum (Vz)

Datum des ESt-Bescheides

Gesamtbetrag der Einkünfte (DM)

berücksichtigter Verlustabzug (DM)

festgesetzte ESt (DM)

1996

12. November 1999

-1.649.198

0

1997

13. Juni 2000

-3.191.889

0

1998

8. März 200...

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