Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuerpflicht gegenüber der römisch-katholischen Kirche setzt wirksame Taufe voraus

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sehen die innerkirchlichen Regelungen ein formalisiertes Verfahren zur Begründung der – die Kirchensteuerpflicht auslösenden – Kirchenmitgliedschaft vor, haben staatliche Stellen lediglich zu prüfen, ob im Einzelfall das Verfahren zur Aufnahme in die Kirche nach den innerkirchlichen Bestimmungen erfolgreich vollzogen wurde.

2. Eine anders als durch wirksame Taufe begründete und gem. Art. 3 Abs. 2 KiStG die Kirchensteuerpflicht begründende Mitgliedschaft in der römisch-katholischen Kirche ist nach den maßgeblichen innerkirchlichen Regelungen nicht möglich (Ausführungen auch zur Mitgliedschaft mittels Konversion).

3. Ist ein Spätaussiedler nicht getauft, besteht keine Mitgliedschaft in der römisch-katolischen Kirche. Die Taufe als rechtskonstitutiven Akt lässt sich nicht durch einen anderweitigen bloßen Rechtsakt, wie etwa einer nach innerkirchlichen Recht erfolgten Anerkennung einer (tatsächlich jedoch nicht durchgeführten) Taufhandlung (hier: Taufanerkenntnis und Ausstellung eines Taufscheins) ersetzen (hier: Beschluss des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz vom 27.8.1990 zum Taufnachweis von Spätaussiedlern durch Zeugen entsprechend Canon 876 Codex Iuris Canonici 1983).

4. Auch wenn über Jahre und wiederholt auch unmittelbar gegenüber der römisch-katholischen Kirche der Eindruck vermittelt wird, Mitglied zu sein, kann die Angehörigeneigenschaft i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Bay. KiStG als Anknüpfungspunkt der Kirchensteuerpflicht ohne eine nach innerkirchlichem Recht gültige Taufe nicht begründet werden; wie im hier vorliegenden Fall: Ausstellung eines Taufscheins nach Taufanerkennung in Folge der – in der mündlichen Verhandlung als unrichtig anerkannten – Taufanmeldung und Taufbestätigung der Eltern des Spätaussiedlers, Angabe des Religionsvermerks „rk” oder „römisch-katolisch” in der Einkommensteuererklärung, jahrelange Entrichtung der festgesetzen Kirchensteuer unter zeitweise Erteilung einer Einzugsermächtigung.

 

Normenkette

Bayerisches KiStG Art. 3 Abs. 2-3; CIC 1983 Canon 849; CIC 1983 Canon 850; CIC 1983 Canon 851; CIC 1983 Canon 852; CIC 1983 Canon 853; CIC 1983 Canon 854; CIC 1983 Canon 855; CIC 1983 Canon 856; CIC 1983 Canon 857; CIC 1983 Canon 858; CIC 1983 Canon 859; CIC 1983 Canon 860; CIC 1983 Canon 861; CIC 1983 Canon 862; CIC 1983 Canon 863; CIC 1983 Canon 864; CIC 1983 Canon 865; CIC 1983 Canon 866; CIC 1983 Canon 867; CIC 1983 Canon 868; CIC 1983 Canon 869; CIC 1983 Canon 870; CIC 1983 Canon 871; CIC 1983 Canon 872; CIC 1983 Canon 873; CIC 1983 Canon 874; CIC 1983 Canon 875; CIC 1983 Canon 876; CIC 1983 Canon 877; CIC 1983 Canon 878; CIC 1983 Canon 125 § 2; CIC 1983 Canon 204 § 1; GG Art. 4, 140; WRV Art. 137 Abs. 3

 

Tenor

1. Der Kircheneinkommensteuerbescheid 2008 vom … und die geänderten Kircheneinkommensteuerbescheide 2008 vom … und vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom … werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr 2008 Mitglied der römisch-katholischen Kirche und damit kirchensteuerpflichtig war.

Der Kläger wurde am … in …, Usbekistan, geboren (vgl. Mitteilung über Kirchenaustritt, Kirchensteuerakte – KiSt-Akte –) und übersiedelte im Jahr 1991 mit seiner Familie als Spätaussiedler nach Deutschland.

Im … 1991 wohnte die Familie des Klägers in … (A); Pfarrer des zuständigen katholischen Pfarramtes in … (Pfarramt) war damals Herr … (P). In zwei jeweils auf den …1991 datierten Formblättern der Diözese … „Anmeldung zur Taufe” betreffend den Kläger bzw. seinen Bruder … (W) wurden jeweils u.a. verschiedene persönliche Angaben festgehalten:

  • • Nach dem den Kläger betreffenden Formular (Anmeldungsformular; Finanzgerichtsakte – FG-Akte –, Bl. 35) wurde dieser am … 1979 in … geboren und … 1983 in … (S) durch den polnischen Priester … getauft; als Pate wurde in diesem Formular … genannt;
  • • Nach dem W betreffenden Formular (Taufanmeldung; FG-Akte … – FG-Akte V –, Bl. 50) wurde dieser am … 1985 in … geboren und bei P für den … zur Taufe angemeldet (welche in der Folge auch entsprechend erteilt wurde; FG-Akte V, Bl. 49).
  • • Außerdem waren hiernach ihre Eltern, Herr … (V, für diesen angegebener Geburtsort: S) und Frau … (M), jeweils römisch-katholischen Glaubens.

Die beiden Formblätter wurden jeweils von P ausgefüllt, wobei er das den Kläger betreffende Anmeldungsformular lediglich handschriftlich ausfüllte, nach seinen schriftlichen Angaben im vorliegenden Verfahren entsprechend der ihm von V und M hierzu mündlich erteilten Auskünfte und zum Zwecke der Aufnahme der Personendaten des...

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