Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilsübertragung zwischen Ehegatten als gemischte Schenkung. Steuerberater als mittelbarer Täter einer Schenkungsteuerhinterziehung. Hinterziehungszinsen. Ableitung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile aus einem nachfolgenden Verkauf. Unanwendbarkeit des Stuttgarter Verfahrens. Paketabschlag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für die Erhebung von Hinterziehungszinsen ist, dass der objektive und der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt sind und kein Rechtfertigungsgrund oder Schuldausschließungsgrund vorliegt. Unerheblich ist, ob der Tatbestand der Steuerhinterziehung vom Steuerschuldner selbst oder von seinem Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfen verwirklicht wurde.

2. Bei mittelbarer Steuerhinterziehung (hier durch den Steuerberater zugunsten des Schuldners der Schenkungsteuer) sind die Voraussetzungen der Straftat allein auf den mittelbaren Täter zu beziehen und nur in dessen Person zu prüfen.

3. Eine steuerpflichtige gemischte Schenkung kann vorliegen, wenn eine Anteilsübertragung unter Ehegatten zu einer Gegenleistung erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu dem Kaufpreis steht, die ein fremder Dritter kurze Zeit (im Streitfall rund 5 Monate) nach dem Bewertungsstichtag für den Erwerb von Anteilen an derselben Gesellschaft geleistet hat, und die Einigung über diesen Erwerb schon vor dem Bewertungsstichtag herbeigeführt war.

4. Der Verkauf an den Dritten kann auch dann maßgeblich für die Anteilsbewertung sein, wenn am Bewertungsstichtag zu einer Reihe von Punkten noch Verhandlungsbedarf bestand und ein Scheitern der Verhandlungen nicht auszuschließen war. Entscheidend ist, ob bei zielgerichtet geführten Verhandlungen von einem bestimmten Stadium der Verhandlungen an eine Einigung über den Kaufpreis – zumindest über den Preisrahmen – erzielt war.

5. Das Stuttgarter Verfahren kann für die Anteilsbewertung nicht herangezogen werden, wenn es zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

6. Der beim Verkauf der Geschäftsanteile an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft erzielte Verkaufspreis beruht nicht deshalb auf ungewöhnlichen Verhältnissen, weil die Preisbemessung durch erwartete Synergieeffekte beim Erwerber beeinflusst wurde.

7. Der erzielte Kaufpreis ist im Rahmen der Ableitung des Anteilswerts in dem Maß herabzusetzen, in dem sich der Umstand auf die Preisbildung ausgewirkt hat, dass der Erwerber insgesamt eine Mehrheitsbeteiligung erwerben wollte. Dies rechtfertigt einen Paketabschlag von 20 %.

 

Normenkette

AO § 235 Abs. 1 S. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1; ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1; BewG 1974 § 11 Abs. 2, § 9 Abs. 2 S. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen II R 39/10)

 

Tenor

1. Der angefochtene Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 19. November 2002 betreffend den Erwerb aus der Zuwendung des A vom 28. Dezember 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 wird dahin geändert, dass der steuerpflichtige Erwerb, der der Berechnung der Schenkungsteuer zum Zweck der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zugrunde gelegt worden ist, von … DM auf … DM herabgesetzt wird. Die Berechnung der Hinterziehungszinsen wird dem Finanzamt übertragen.

2. Der angefochtene Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 19. November 2002 betreffend den Erwerb der Klägerin aus der Zuwendung des A vom 25. Februar 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 wird aufgehoben.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 72 v.H. und der Beklagte 28 v.H. zu tragen.

5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob Hinterziehungszinsen zu Recht festgesetzt wurden.

Im Jahr 1987 erwarb der Ehemann der Klägerin, A, 75 % der Anteile am Stammkapital der Z-GmbH. Die restlichen 25 % der Anteile erwarb die Schwiegermutter der Klägerin, B. A erwarb zum gleichen Zeitpunkt das in einer Besitzgesellschaft gehaltene Betriebsgrundstück,das langfristig an die Betriebsgesellschaft Z-GmbH verpachtet war. Es lag daher im Erwerbszeitpunkt eine Betriebsaufspaltung vor. Ab Oktober 1987 übernahm Steuerberater Stb,der Finanzberater des A, den Aufsichtsratsvorsitz bei der Z-GmbH.

Ende des Jahres 1988 und sodann das gesamte Jahr 1989 hindurch kam es zu umfangreichen Verhandlungen von Vertretern der Z-GmbH (A, Stb und Herrn H., dem – inzwischenverstorbenen-Steuerberater der Z-GmbH) und der Firma H, einem der weltweit größten Hersteller von…, über einen Verkauf von Anteilen der Z-GmbH an H. Dieses weltweit tätige Großunternehmen hatte ein besonderes Interesse am Erwerb der Geschäftsanteile der Z-GmbH, weil diese eine besondere Produktpalette herstellte, die bisher im Angebot der Hfehlten. Stb nahm mindestens seit 22. Mai 19...

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