Entscheidungsstichwort (Thema)

Zufluss von Einnahmen aus einem Schneeballsystem

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gutschriften oder die Wiederanlage von Renditen in Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei Erteilung der Gutschriften oder der Wiederanlage leistungsbereit und leistungsfähig ist.

2. Hat der Steuerpflichtige keinen Auszahlungswunsch geltend gemacht, ist für die Annahme der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Betreibers im Grundsatz ausreichend, dass in dem maßgeblichen Zeitpunkt – hier der Fälligkeit der Zinsansprüche – keine generelle Zahlungsunfähigkeit des Betreibers festgestellt worden ist.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 11 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Berücksichtigung von Zinsen aus Nachrangdarlehen im Rahmen eines sog. Schneeballsystems bei Einkünften aus Kapitalvermögen.

Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Kläger gewährten X-KG, deren Komplementärin X-Ltd. war, sogenannte Nachrangdarlehen; in den Jahren 2013 (erste Zahlung am 13. Februar 2013) bzw. 2015 zahlten sie inkl. 5 % Agio 18.920 EUR bzw. 11.000 EUR ein und im Jahr 2014 zahlte die Klägerin 37.000 EUR ein. Vereinbart waren nach den Kontoeröffnungsanträgen vom 10. Februar 2013 u. a. Einmalanlagen von 2.400 EUR und 8.000 EUR, die Renditevariante „Vario” (statt „8,0 % p. a.”) und keine feste Laufzeit bei einer Mindestlaufzeit von drei Monaten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Vertragsunterlagen Bezug genommen.

Ausweislich von Kontoauszügen der X-Ltd./X-KG für die Kläger für die Jahre 2013 und 2014 wurden variierende monatliche Erträge in Höhe von insgesamt 4.843,69 EUR für 2013 (erstmals am 28. Februar 2013) und 14.377,70 EUR für 2014 ausgewiesen. Nach den Kontoauszügen erhöhten die gutgeschriebenen Erträge den Wert des Kapitalkontos. Die bescheinigten Erträge wurden nicht ausgezahlt; die Kläger hatten Auszahlungen auch nicht verlangt.

Über das Vermögen der X-Ltd. wurde im Mai 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet (Insolvenzantrag im Januar 2016). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X-KG wurde mit Beschluss des Amtsgerichts […] vom 16. Dezember 2016 (Az. […]) mangels Masse abgelehnt. Der Director (Y) der Komplementärin der X-KG wurde wegen vielfachen Betrugs zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts im vorgelegten Urteil vom […] (Strafverfahren gegen Y) hatte Y die von den Klägern und anderen Anlegern eingezahlten Beträge u. a. zur Befriedigung von Auszahlungswünschen der Anleger und für eigene Zwecke verwendet. Auszahlungswünschen der Anleger sei bis Ende 2014 problemlos entsprochen worden, ab 2015 seien Auszahlungen teils hinausgezögert, teils nicht geleistet worden. Nach Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z habe X-KG Mitte des Jahres 2015 die Zahlungen eingestellt. Nach den vom beklagten Finanzamt (FA) vorgelegten anonymisierten Kontoauszügen der X-KG für einzelne Anleger erhielten diese bis Juni 2015 Auszahlungen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten die Kläger Erträge aus den Darlehen nicht.

In der Folge einer bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 30. Oktober 2018, Bl. 78 AdV-Akte) setzte das FA mit Bescheiden vom 14. Dezember 2018 die Einkommensteuer auf […] EUR für 2013 (bisher gem. Bescheid vom 19. Juni 2015 […] EUR) und […] EUR für 2014 fest. Die Bescheide waren für 2013 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und für 2014 – unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung – gem. § 164 Abs. 2 AO geändert. Bei den Steuerfestsetzungen legte das FA u. a. Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) besteuert werden (Abgeltungsteuer), in Höhe von je 2.422 EUR (insgesamt 4.844 EUR, bisher keine) in 2013 und je 6.479 EUR (insgesamt 12.958 EUR) in 2014 zu Grunde, jeweils unter Abzug von 0 EUR nicht ausgeschöpftem Sparer-Pauschbetrag. Die Abgeltungsteuer belief sich auf 1.210 EUR in 2013 und 3.238 EUR in 2014.

Dagegen legten die Kläger Einsprüche ein.

Einen Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Steuerfestsetzungen (Az. 5 V 340/19) lehnte der Senat mit Beschluss vom 3. Juni 2019 ab.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 25. September 2019). Zur Begründung führte das FA aus, dass die vorgespiegelten Kapitalerträge unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu subsumieren seien. Vorliegend enthalte die Vereinbarung keine konkrete Aussage dazu, ob Erträge auszuzahlen oder wiederanzulegen sind. Tatsächlich seien die Renditen jedoch monatlich auf dem Konto des Anlegers gutgeschrieben worden und sie erhöhten das Anlagekapital. Etwaigen Auszahlungswünschen sei bis zum Zusammenbruch des Systems nachgekommen worden. Bei objektiver Betrachtung seien daher die ent...

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