Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung des Grundbesitzwertes, Vergleichswertverfahren, Kaufpreismittelwerte, Differenzierung nach Wohnlagen und Baujahresspannen

 

Leitsatz (redaktionell)

An der Rechtmäßigkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung des Grundbesitzwertes nach dem Vergleichswertverfahren bestehen ernsthafte Zweifel, wenn der bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit zu Grunde gelegte Kaufpreismittelwert pro m² Wohnfläche ungeachtet der Beschränkung der Lagekriterien auf die Unterscheidung zwischen mittlerer und guter Wohnlage und fehlenden Ausweises differenzierter Baujahresspannen ermittelt wurde.

 

Normenkette

BewG § 183 Abs. 2, § 151 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist eine Erbengemeinschaft, deren Mitglieder die Gesamtrechtsnachfolger nach der am 22.06.2018 verstorbenen Frau A sind. Zum Nachlass gehörte unter anderem das mit einer Doppelhaushälfte bebaute Grundstück F-Straße … in … E.

In ihrer Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts vom ….12.2018 bezifferte die Antragstellerin den Sachwert des Grundstücks mit 173.053 €. Dabei ging sie von einem Bodenrichtwert i.H.v. 440 €, einem vorläufigen Sachwert gemäß § 189 Abs. 3 des BewertungsgesetzesBewG – i.H.v. 144.211 € und einem Sachwertfaktor von 1,2 gemäß § 191 Abs. 2 BewG aus. Ausweislich der Erklärung weist das Grundstück eine Größe von 184 m² und das im Jahr 1928 errichtete Gebäude eine Wohnfläche von 127 m² (Brutto-Grundfläche: 248 m²) aus. Die Gebäudeart aus Anl. 24 zum BewG wurde mit 2.11 angegeben. Weiterhin ist eine Garage mit einer Bruttogrundfläche von 15 m² vorhanden (RHK/m²: 287 €).

Mit Bescheid vom 17.1.2019 stellte der Antragsgegner den Grundbesitzwert auf den 22.6.2018 unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens auf 312.420 € fest. Dabei ging er von einem Vergleichsfaktor gemäß § 183 Abs. 2 BewG von 2460 €/m² der Wohnfläche aus.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch beanstandete die Antragstellerin die Anwendung des Vergleichswertverfahrens anstelle des Sachwertverfahrens und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides. Der Grundstücksmarktbericht 2018 des Gutachterausschusses der Stadt E (im Folgenden: GMB) weise in Bezug auf das zu bewertende Objekt keine geeigneten Vergleichsfaktoren aus. Bei dem von dem Antragsgegner herangezogenen Wert pro Quadratmeter der Wohnfläche handele es sich um den in der Tabelle unter Ziffer 5.1.1.4 ausgewiesenen Mittelwert der Kaufpreisspannen bei wiederverkauften Doppelhaushälften für Grundstücksgrößen zwischen 180-400 m² bei guter Wohnlage und mittlerer Ausstattung. Die in dieser Tabelle erfassten Objekte wiesen indessen undifferenziert Ursprungsbaujahre zwischen 1900 und 2010 auf, ohne dass Vorgaben für altersbedingte Zu- und Abschläge benannt würden. Auch eine Differenzierung nach Stadtteilen erfolge in der Tabelle nicht, obgleich die Kauf- und Verkaufspreise zwischen G und den anderen Stadtteilen sehr stark differierten. Die so errechneten Mittelwerte würden in dem GMB nicht als Vergleichsfaktoren bezeichnet. Es handele sich aber bereits wegen der mangelnden Differenzierung nach Baujahren oder Baujahrsklassen sowie nach Stadtteilen oder Stadtbezirken innerhalb von E auch nicht um geeignete Bezugseinheiten im Sinne des § 183 Abs. 2 BewG. Weiterhin würden sich die Feststellungen nur auf wiederverkaufte und nicht auch auf erstverkaufte Doppelhaushälften beziehen. Der angegriffene Wertfeststellungsbescheid sei daher offensichtlich mit den Regelungen in R B 183 ErbStR nicht vereinbar.

Mit Schreiben vom 28.1.2019 und 18.2.2019 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die Feststellung des Grundbesitzwertes ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Gesetzgeber die Ermittlung von Vergleichsfaktoren den Gutachterausschüssen aufgegeben habe. Eine fachliche Überprüfung der von diesen als geeignet befundenen Vergleichsfaktoren durch die Finanzbehörde könne daher allenfalls auf offenbare Unrichtigkeiten beschränkt sein. Solche seien indessen vorliegend nicht ersichtlich. Der GMB gebe mit den Kriterien

  1. Wiederverkauftes Einfamilienhaus
  2. Doppelhaushälfte bzw. nicht freistehendes Haus
  3. Grundstücksgröße 180-400 m²
  4. Wohnfläche 90-130 m²
  5. Baujahr 1900-2010
  6. gute Wohnlage
  7. mittlere Ausstattung

eine hinreichende Anzahl wertbeeinflussender Merkmale vor, um zu einer hinreichend vergleichenden Bewertung des streitbefangenen Grundbesitzes zu gelangen.

Die offensichtliche Ungeeignetheit des Vergleichsfaktors folge nicht aus der Erstreckung der Baujahrspanne über die Jahre 1900-2010. Denn hierbei sei zu berücksichtigen, dass in die Untersuchungen ausschließlich zwischen 2013 und 2017 erzielte Kaufpreise eingegangen seien. Damit sei dieses wertbeeinflussende Merkmal wesentlich weniger davon beeinflusst, wann die zum Vergleich herangezogenen Gebäude errichtet worden seien, als vielmehr davon, dass sie im zu Vergleichszwecken herangezogenen Zeitraum veräußert wurden. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass der Wert eines...

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