Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrecht: Höhe der Geschäftsgebühr, Terminsgebühr Bundesverfassungsgericht, Aufwendungen für Gutachten, Rechtsanwaltsgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 wegen überdurchschnittlicher Schwierigkeit kann gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts schwierige verfassungsrechtliche Fragestellungen umfasste.

2. Hat das Bundesverfassungsgericht über ein Normenkontrollverfahren nicht mündlich verhandelt, kann keine Terminsgebühr geltend gemacht werden.

3. Aufwendungen für verfassungs- oder europarechtliche Gutachten sind regelmäßig nicht erstattungsfähig.

4. Kann die fehlende Sachkunde auf technischem Gebiet als Grundlage für das eigene Vorbringen und die Auseinandersetzung mit den Äußerungen der beklagten Behörde nur durch die Einholung eines Gutachtens verschafft werden, sind die Kosten für dieses Privatgutachten ausnahmsweise erstattungsfähig.

 

Normenkette

RVG §§ 14, 37; RVG-VV Nrn. 2301, 3210; BVerfGG § 25 Abs. 2; FGO § 139 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Erinnerungsführerin hatte sich in der Hauptsache gegen die Entrichtung einer Steuer gewandt. Über das vom Finanzgericht Hamburg angestoßene Normenkontrollverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden und das Steuergesetz für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt.

Nachdem die beklagte Behörde die angefochtene Steueranmeldung aufgehoben und die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, legte der Senat mit Beschluss vom 14.07.2017 der beklagten Behörde die Kosten des Verfahrens auf.

Die Klägerin und Erinnerungsführerin wendet sich mit ihrer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Gerichts, der ihr nicht nur die Festsetzung einer Terminsgebühr für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, sondern auch die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für verschiedene rechtliche und technische Gutachten versagte und überdies die Geschäftsgebühr lediglich mit der Regelgebühr von 1,3 ansetzte.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 149 Abs. 2 zulässige Erinnerung führt lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg. ...

(Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV

Nach Nr. 2300 RVG-VV ... erhält ein Rechtsanwalt für die Vertretung seines Mandanten im Vorverfahren eine Geschäftsgebühr, die ... mit einem Gebührensatz von 0,5 bis 2,5 berechnet werden kann. Eine Gebühr von mehr als 1,3 darf allerdings nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war ... Die Geschäftsgebühr ist eine Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, bei der der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten - scil. der beklagten Behörde - zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach Nr. 2300 RVG-VV fällt die Geschäftsgebühr in durchschnittlichen Rechtssachen in Höhe von 1,3 an (vgl. BGH Urteil vom 31.10.2006, VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420). Eine darüber hinausgehende Gebühr kann der Rechtsanwalt nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, also hinsichtlich des Umfangs oder Schwierigkeit über dem sog. Durchschnittsfall lag. Ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.07.2012, VIII ZR 232/11, NJW 2012, 2813; Sächsisches OVG, Beschluss vom 08.10.2012, 5 E 42/12, juris; FG Köln, Beschluss vom 10.09.2013, 10 KO 3987/12, EFG 2013, 2044). Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Maßstäbe ist vorliegend nicht von einem Durchschnittsfall auszugehen, der lediglich den Ansatz der 1,3-fachen Regelgebühr rechtfertigt. Der beschließende Senat, der das der streitgegenständlichen Steueranmeldung zugrundeliegende Gesetz dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vorgelegt hat, vermag aus eigener Anschauung zuverlässig zu beurteilen, dass der konkrete Streitfall sowohl von seinem Umfang als auch hinsichtlich seiner rechtlichen Aspekte weit über einem Durchschnittsfall lag. Die Frage, ob dem Bund für das Steuergesetz eine Gesetzgebungskompetenz zustand, erforderte besonders tiefe Kenntnisse des Verfassungsrechts. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mussten sich schon im Einspruchsverfahren auf besondere Weise mit den Gesetzgebungsmaterialen befassen und das Gesetz an der bisherigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ... messen. Dass diese Fragestellungen auch im anschließenden Klageverfahren relevant wurden, ist insoweit unerheblich ... Ist somit hinsichtlich des Streitfalls davon auszugehen, dass die Tätigk...

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