Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Schenkungsteuer bei Umwandlung eines Familienvereins in eine Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Umwandlung eines als Inhaber einer Beteiligung fungierenden Familienvereins in eine GmbH kann nicht mit dem schenkungsteuerlichen Tatbestand der Auflösung des Vereins unter Anfall seines Vermögens bei den Mitgliedern gleichgesetzt werden, da bei formwechselnder Umwandlung weder ein Rechtsträgerwechsel noch ein echter Vermögensübergang erfolgen.
  2. Eine planwidrige Regelungslücke, die die analoge Anwendung des Auflösungstatbestands auf den Fall des Formwechsels rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar.
  3. Die zeitliche Nähe der Umwandlung zum Steuerentstehungszeitpunkt des § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (30-Jahres-Zeitraum) ist kein ausreichender Anhaltspunkt für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung; dies gilt zumindest dann, wenn wirtschaftliche Gründe für dieses Vorgehen plausibel dargelegt werden können.
 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4; UmwG § 202 Abs. 1 Nr. 1, § 272; EStG § 17; BGB §§ 38, 41, 45; AO § 42

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.02.2007; Aktenzeichen II R 65/05)

BFH (Urteil vom 14.02.2007; Aktenzeichen II R 65/05)

 

Tatbestand

Die Klägerin war Mitglied des Familienvereins A.G. e. V. (Familienverein). Sie wendet sich gegen die Festsetzung von Schenkungsteuer durch den Beklagten wegen der Umwandlung des Familienvereins in eine GmbH.

Am 3. April 1970 gründete Herr A.G., der Ehemann der Klägerin, gemeinsam mit seinem Bruder, Herrn I.G., den Familienverein G. e. V.”. Durch notariellen Vertrag vom 3. Juni 1970 übertrugen Herr A.G. und sein Bruder von ihren Geschäftsanteilen an der H-Gesellschaft für Vermögensverwaltung und -vermittlung mbH (H-GmbH) von je nominell 500.000,00 DM Teilbeträge in Höhe von je nominell 455.000,00 DM auf den „Familien verein G. e. V.”.

Am 9. Januar 1972 verstarb Herr A.G. In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Familienstämmen. Dies führte dazu, dass auf der Mitgliederversammlung am 30. November 1973 Herrn I.G. und die übrigen Mitglieder seiner Familie aus dem Verein austraten und einen eigenen Verein gründeten („Familien-Verein I.G. e. V”). Der ursprüngliche Familienverein änderte seinen Namen durch Satzungsänderung in „Familienverein A.G. e. V.” (im Folgenden: Familienverein). Durch notariellen Vertrag vom 27. Dezember 1973 übertrug er u. a. den Geschäftsanteil an der H-GmbH von nominell 455.000,00 DM auf den Familienverein I.G. e. V.

Zweck des Familienvereins war die Pflege und Förderung gemeinschaftlicher Familieninteressen der Angehörigen der Familie A.G. (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Der Verein war nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet und nahm nicht am Wirtschaftsverkehr mit Gewinnerzielungsabsicht teil (§ 2 Abs. 3 der Satzung). Dem Verein gehörten ordentliche und jeweils drei außerordentliche - familienfremde - Mitglieder an (§ 4 Abs. 1 der Satzung). Als Familie im Sinne der Satzung galten gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung: die Klägerin, eheliche, leibliche Abkömmlinge von ihr und Herrn A.G. sowie deren eheliche, leibliche Nachkommen sowie die Ehegatten von Abkömmlingen. § 10 der Satzung regelte die Auflösung des Vereins. Nach Abs. 1 fiel das Vermögen des Vereins für den Fall, dass dieser vor Ablauf des 31. Dezember 2019 aufgelöst werden sollte, an die testamentarischen Erben nach A.G.; die Klägerin sollte für diesen Fall einen lebenslänglichen Nießbrauch in Höhe der Hälfte der gesamten Erträge am aufgelösten Vereinsvermögen erhalten.

Mit Schreiben vom 15. September 1995 beantragte der Familienverein eine verbindliche Auskunft zu der Frage, ob bei einer Umwandlung des Vereins nach § 272 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) in eine Kapitalgesellschaft Schenkungsteuer anfalle. Ausweislich der Vermögensteuererklärungen bestehe das Vereinsvermögen im Wesentlichen aus einer 44,5 %-igen Beteiligung am Stammkapital der H-GmbH.

Nach Beteiligung der Oberfinanzdirektion teilte das Finanzamt, dessen Zuständigkeit in der Folgezeit auf den Beklagten übergegangen ist, mit Schreiben vom 30. Januar 1996 mit, dass die beabsichtigte Umwandlung Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auslöse. Zwar bleibe durch die Umwandlung des Vereins in eine GmbH die Identität des Rechtsträgers als juristische Person gewahrt. Erbschaftsteuerlich seien jedoch der Verein und die GmbH als verschiedene Rechtsträger anzusehen, so dass eine „Auflösung” des Vereins vorliege. Würde man keine Auflösung des Vereins annehmen, könnte durch eine zwischengeschaltete Umwandlung in eine GmbH erreicht werden, dass das Vereinsvermögen ohne schenkungsteuerliche Belastung an die Vereinsmitglieder ausgekehrt werde, weil im Falle der Liquidation einer GmbH durch Übertragung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter kein schenkungsteuerlicher Tatbestand verwirklicht werde. Seine Auffassung werde gestützt durch die Regelung im Erlass des Finanzministers NR...

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