Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Erlass von Nachforderungszinsen wegen langer Bearbeitungsdauer der Einkommensteuererklärung. sachliche Unbilligkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zinsen für eine Einkommensteuernachzahlung sind nicht deshalb zu erlassen, weil das FA für die Bearbeitung der Steuererklärung mehr als 16 Monaten benötigt hat.

2. Die Differenz zwischen der Höhe der Nachzahlungszinsen und der Höhe der mit der Anlage des Nachzahlungsbetrages erzielten Zinseinnahmen begründet keine sachliche Unbilligkeit.

3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt auch nicht in der geltend gemachten Verzögerung der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung.

 

Normenkette

AO § 233a Abs. 1 S. 1, § 227; BGB § 242; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 13.10.2009; Aktenzeichen X B 77/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Zinsen für eine Einkommensteuernachzahlung und begehrt hilfsweise deren Erlass.

Im Einkommensteuerbescheid 2005 für den Kläger vom 14.11.2007 wurden Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von EUR … festgesetzt. Der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Einkommensteuer und den Vorauszahlungen betrug EUR …. Für den Zeitraum 01.04.2007 bis 19.11.2007 ermittelte der Beklagte Nachzahlungszinsen in Höhe von EUR …, abgerundet EUR (= 7 volle Monate zu 0,5 % = 3,5 %). Mit Bescheid vom 24.01.2008 wurden die Einkommensteuer um EUR … und die Zinsfestsetzung entsprechend um EUR 31,50 auf EUR …, abgerundet EUR …, erhöht.

Am 18.11.2007 legte der Kläger Einspruch gegen die Zinsfestsetzung im Einkommensteuerbescheid 2005 ein. Die Festsetzung der Zinsen verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unbillig.

Die Steuererklärung für das Jahr 2005 sei am 26.06.2006 abgegeben worden, so dass bis zum Beginn des Zinslaufes zehn Monate für die Bearbeitung zur Verfügung gestanden hätten. Die Zinsforderung sei mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der gleichmäßigen Besteuerung nicht vereinbar, da die Bearbeitung 16 ½ Monate gedauert habe.

Die Zinsforderung und ihre Höhe könnten nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, dass es sich dabei um eine Gegenleistung für den Liquiditäts- und Zinsvorteil des Steuerpflichtigen handele. 6 % des versteuerten Einkommens könnten nicht mit voll steuerpflichtigen Zinseinnahmen des Steuerpflichtigen in dem fraglichen Zeitraum gleichgesetzt werden. Wegen der Unsicherheit der Fälligkeit der Steuerschuld habe die Liquidität nur als Tagesgeld angelegt werden können. Bei einem Steuersatz von 38 % zzgl. Solidaritätszuschlag sei ein Zinssatz von 10,2 % erforderlich, um nach Abzug von Steuern 6 % zu erreichen. Er habe in der fraglichen Zeit lediglich 3 % p. a. erreicht, so dass ihm nach Abzug von Steuern netto nur 1,79 % zur Verfügung gestanden hätten. Der gesetzliche Zinssatz von 6 % sei unrealistisch und führe zu einem großen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Nach bürgerlich-rechtlichen Wertvorstellungen läge Nichtigkeit vor.

Zumindest sei eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne von Ziff. 69.2, letzter Halbsatz des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung geboten.

Mit Bescheid vom 03.01.2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erlass der Zinsen ab. Als sachlicher Billigkeitsgrund im Sinne des § 227 AO reiche nicht bereits der Umstand aus, dass eine Verzögerung der Steuerfestsetzung vom Finanzamt zu vertreten sei. Ein Verschulden sei auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses irrelevant. Durch die mit § 233a AO eingeführte Vollverzinsung habe der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei einzelnen Steuerpflichtigen „aus welchen Gründen auch immer” zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig würden. Aus Gründen der Praktikabilität habe der Gesetzgeber sowohl die Frage eines etwaigen Verschuldens für die Verzögerung der Steuerfestsetzung als auch die Höhe des jeweiligen Kapitalmarktzinses außer Betracht gelassen. Diese Intention sei auch dann zu respektieren, wenn die Anwendung von § 233a AO im Einzelfall zu einem unerwünschten Ergebnis führe, das der Gesetzgeber weder gewollt noch bewusst in Kauf genommen habe.

Am 08.01.2008 legte der Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 03.01.2008 ein und bezog sich zur Begründung auf sein Einspruchsschreiben vom 18.11.2007.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 19.02.2008 wurden die Einsprüche des Klägers vom 25.11.2007 gegen den Bescheid vom 14.11.2007 und vom 07.01.2008 gegen den Bescheid vom 03.01.2008 zurückgewiesen.

Die Festsetzung der Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sei rechtmäßig. Sie sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben stehe der Zinsfestsetzung nicht entgegen. Bei einer Bearbeitungszeit vom 16 ½ Monaten komme ein Fehlverhalten oder Verschulden der Behörde nicht in Betracht.

Der Erlassantrag sei zu Recht abgelehnt worden. Ansprüche aus dem Steuerschul...

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