rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Fälligkeit einer Steuerforderung bei Insolvenzverfahren im EU-Ausland. Mitwirkungspflicht bei Geltendmachung einer im Ausland bewirkten Restschuldbefreiung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit Beendigung eines im Ausland eröffneten Hauptinsolvenzverfahrens kann das Finanzamt seine Forderungen wieder durch Haftungsbescheid geltend machen, so dass sich die Fälligkeit der Forderung nach § 220 Abs. 2 S. 2 AO richtet. Dies gilt unabhängig davon, ob das FA von der Beendigung des Insolvenzverfahrens im Ausland Kenntnis erlangt hat.

2. Da ein Rechtsanwalt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Zulassung verliert, besteht ein Anordnungsgrund, das FA durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, die Stellung eines rechtswidrigen Insolvenzantrags zurückzunehmen.

3. Macht der Steuerpflichtige geltend, die Forderungen des Finanzamts seien aufgrund einer Restschuldbefreiung im Ausland nicht mehr vollstreckbar, unterliegt er nach § 90 Abs. 2 AO einer erhöhten Mitwirkungspflicht.

 

Normenkette

AO § 220 Abs. 2 S. 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1, §§ 254, 90 Abs. 2; InsO §§ 87, 13 Abs. 2; EUInsVO Art. 17 Abs. 1; FGO §§ 114, 76; BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den beim Amtsgericht X (Geschäftszeichen:) gestellten Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens vom 02. Januar 2009 zurückzunehmen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, den gestellten Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zurückzunehmen.

I.

Der Antragsteller war in den Jahren 2003 bis 2005 Geschäftsführer der Y-GmbH. Das für die Besteuerung der GmbH zuständige Finanzamt Z hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 hinsichtlich einer möglichen Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Steuerschulden der GmbH an. Hierauf antwortete der Antragsteller mit Schreiben vom 20. Oktober 2008, welches beim Finanzamt Z erst am 20. November 2008 einging. In diesem Schreiben setzte er das Finanzamt Z von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in England in Kenntnis und legte eine Kopie des Eröffnungsbeschlusses des zuständigen Ü. County Courts vom 17. Dezember 2007 vor.

Das Finanzamt Z informierte mit Schreiben vom 25. November 2008 den für die Vollstreckung zuständigen Antragsgegner von dem laufenden Insolvenzverfahren. Der Antragsgegner forderte vom Finanzamt Z mit Schreiben vom 04. Dezember 2008 eine Haftungsberechnung an. Gleichzeitig erfolgte die Bitte an das Finanzamt X …, welches für die persönliche Besteuerung des Antragstellers zuständig ist, nach Aktenlage vorhandene Vermögenswerte des Klägers im Inland mitzuteilen. Das Finanzamt Z übermittelte am 15. Dezember 2008 die Haftungsberechnung und wies ferner auf eine bei den Akten des Antragsgegners befindliche Mitteilung des Finanzamts X … vom 05. November 2007 hin, in welcher einzelne Vermögensgegenstände des Antragstellers (Grundvermögen und Beteiligungen) aufgeführt waren. Eine Antwort des Finanzamts X … auf die Anfrage vom 04. Dezember 2008 findet sich nicht in den Akten.

Am 17. Dezember 2008 trat die nach dem Recht von England und Wales gesetzlich vorgesehene Restschuldbefreiung „discharge from bankruptcy”) ein, was durch den Ü. County Court mit Bescheinigung vom 11. März 2009 festgestellt wurde (Gerichtsakte, Seite 21).

Mit einem weiteren Schreiben vom 31. Dezember 2008 teilte der Antragsteller unter Übermittlung eines englischsprachigen Ausdrucks aus dem Insolvenzregister mit, dass die Restschuldbefreiung nach englischem Recht eingetreten sei (Haftungs-Vollstreckungsakten, Seite 36-38). Dieses Schreiben ging erst am 09. Januar 2009 beim Finanzamt Z und am 14. Januar 2009 beim Antragsgegner ein.

Am 02. Januar 2009 hatte der Antragsgegner bereits die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gemäß Art. 27 der europäischen Insolvenzverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1346/2000, nachfolgend: EUInsVO) auf der Basis noch ausstehender Forderungen aus einer Haftung gem. § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von 28.007,46 EUR beantragt. Neben der Berechnung der Gesamtforderung waren im Antrag konkrete Vermögensgegenstände des Grundvermögens und Beteiligungen aufgezählt worden, welche im Inland dem Antragsteller nach Aktenlage zustünden. Die Angaben zu den Vermögensgegenständen entsprechen der Auskunft des Finanzamts X … vom 05. November 2007 (Allgemeine Akte-Reiter „Haftung”). Der Antrag wurde vom Insolvenzgericht zugelassen und dem Antragsteller zusammen mit der Aufforderung, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und einen Fragebogen auszufüllen, am 23. März 2009 zugestellt.

Das Insolvenzgericht hat mit Beschluss vom 30. Juli 2009 entschieden, dass die Wirkung der Restschuldbefreiung dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 EUInsVO nicht entgegenstehe. Das Verfahren wurde bislang noch nicht...

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