Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

I. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschl. v. 25.11.2002 – AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.).

II. Das im Bescheid der Beklagten vom 18.3.2010 beschriebene Verhalten der Klägerin verstieß nicht gegen § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin betreffen der Zugewinnausgleich und der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern allerdings dieselbe Rechtssache. "Rechtssache" kann jede Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll (BGH, Urt. v. 25.6.2008 – 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307 Rn 11). Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit (BGH, Urt. v. 16.11.1962 – 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192, 193; BayObLG NJW 1989, 2903), auch wenn dasselbe materielle Interesse Gegenstand verschiedener Ansprüche oder Verfahren ist (BGH, Urt. v. 7.10.1986 – 1 StR 519/86, BGHSt 34, 191; BayObLG NJW 1989, 2903; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 356 Rn 5; Hartung, AnwBl 2011, 679, 680).

Die von der Klägerin übernommenen Mandate decken sich sachlich-rechtlich zumindest teilweise. Grundlage des Zugewinnausgleichs ist zwar die Ehe, während der Unterhaltsanspruch aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Eltern und Kindern folgt. Die Verwandtschaft zu miteinander verheirateten Eltern betrifft jedoch denselben Sachverhalt wie deren Ehe. Der Unterhaltsanspruch des erwachsenen Kindes richtet sich zudem grundsätzlich gegen beide Elternteile, die anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften (§ 1606 Abs. 3 BGB); die Vermögensverhältnisse der beiden Elternteile sind – bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags (§ 1375 Abs. 1, § 1384 BGB) – Gegenstand des Zugewinnausgleichs.

2. Die Interessen, welche die Klägerin bei der Abwehr des Anspruchs auf Zugewinnausgleich (fortan auch: Erstmandat) einerseits und der Durchsetzung des Anspruchs auf Kindesunterhalt (fortan auch: Zweitmandat) anderseits zu vertreten hat, widersprechen einander unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles jedoch nicht.

a) Die Interessen, welche der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags zu vertreten hat, sind objektiv zu bestimmen. Grundlage der Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis von Rechtsanwalt und Mandant, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drucks 12/4993, S. 27; vgl. auch BVerfGE 108, 150). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn 12 = NJW 2008, 1307). Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Pflichtenkanon des § 43a BRAO befolgt wird, damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt (BVerfGE 108, 150, 161 f.; vgl. auch BVerfG NJW 2006, 2469 f.).

Im rechtlichen Ausgangspunkt stehen die Interessen eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes im Widerspruch zu denjenigen seiner Eltern, die beide Unterhalt schulden und gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Ein Rechtsanwalt darf deshalb nicht zugleich die unterhaltspflichtigen Eltern bei der Abwehr des Anspruchs und das unterhaltsberechtigte Kind bei dessen Durchsetzung vertreten.

b) Dass die Klägerin im vorliegenden Fall nur mit der Durchsetzung des Anspruchs gegen die Ehefrau ihres Mandanten Dr. A. C. beauftragt worden war, die auch dessen Gegnerin im Zugewinnausgleichsverfahren war, än...

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