Eine Erwerbspauschale billigt der BGH mit der h.M. der in Teilzeit beschäftigten nichtehelichen Mutter auch nicht teilweise zu, da ihr ein Erwerbsanreiz, wie er mit der Pauschale vornehmlich bezweckt wird, nicht zustehe, weil der Erwerbsanreiz nur für den Unterhaltspflichtigen bestimmt sei.[33] Dabei wird aber übersehen, dass das Existenzminimum bei jeder Erwerbstätigkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Mehrbedarf für Erwerbstätige enthalten muss. Da dieser Mehrbedarf die durch die Erwerbstätigkeit bedingten erhöhten privaten Bedürfnisse abgelten soll, ist er durch die Abziehbarkeit des erwerbsdienlichen Aufwands bei der Einkommensanrechnung nicht gedeckt.[34] Auch wenn diese "gemischten" Erwerbsaufwendungen nach Ansicht des BGH an Bedeutung verlieren,[35] rechtfertigt dies nicht die dadurch bedingte Unterschreitung des Existenzminimums beim Betreuungsunterhalt für eine erwerbstätige nichteheliche Mutter.

Der BGH betont selbst in einem obiter dictum den Vorrang des Existenzminimums: Wenn die Mutter vor der Geburt von Sozialleistungen gelebt hat, sei aus diesen ihre Lebensstellung abzuleiten. Damit decke sich ihr Mindestbedarf nach § 1615 l Abs. 2 BGB mit den Sozialleistungen, durch die das Existenzminimum gemäß §§ 8 ff. SGB XII garantiert werde. Entsprechend stehe auch Unterhaltsberechtigten mit geringeren Einkünften ein Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zu.[36] Zur Wahrung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums ist entgegen der h.M. die Verbesserung des Betreuungsunterhalts durch eine Erwerbspauschale nach § 1615 l Abs. 2 BGB auch für die in Teilzeit beschäftigte Mutter notwendig. Wenn eine – bei Teilzeittätigkeit anteilige – Zubilligung der Erwerbspauschale von 200 EUR nach der Düsseldorfer Tabelle wegen des beinhalteten Erwerbsanreizes weiterhin abgelehnt wird, bleibt als Mindestverbesserung zur Sicherung des Existenzminimums die niedrigere Erwerbspauschale[37] entsprechend der sozialhilferechtlichen Entlastung bei Erwerbstätigkeit. Sie besteht in einem Freibetrag von 30 % des Einkommens mit Obergrenze von 202 EUR.[38]

[33] Vgl. BGH FamRZ 2010, 357, 361 m. Anm. Maier; Gerhardt, in: Gerhardt/v.Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts FamR, 8. Aufl., Kap. 6 Rn 405; BeckOK-BGB/Reinken, Stand: 1.11.2015, § 1615 l Rn 15 m.w.N.
[34] Vgl. BVerfG NJW 1992, 3153, 3154 f. (zum Erwerbsmehrbedarf von 25 % nach § 23 Abs. 4 Nr. 1 BSHG a.F.); so auch BT-Drucks 17/11472, 29 (Begr. d. Entw. zu § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO n.F.).
[35] So BGH FamRZ 2010, 357, 361; Klinkhammer, FamRZ 2007, 85, 87 ff.
[37] Vgl. ähnl. BGH FamRZ 2003, 1466, 1467 (zu § 850d ZPO).
[38] Vgl. § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XII i.V.m. Anl. zu § 28 SGB XII (Stand: 1.1.2016).

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