Bis zum Jahr 2000 wurde in Familiensachen danach unterschieden, ob es sich um solche mit zivilprozessualen Streitgegenständen (vor dem Zivilgericht) oder um Familiensachen mit Verfahrensgegenständen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vor dem Familiengericht) handelte. Im ersteren Fall war die Nichtzulassungsbeschwerde möglich, im zweiten Fall hing der Zugang zur Revision (weitere Beschwerde) ausschließlich von der Zulassungsentscheidung des Beschwerdegerichts ab. Die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde in Familiensachen wurde zunächst durch das zum 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Zivilprozesses, dort im neu geschaffenen § 26 Nr. 9 EGZPO (BT-Drucksache 14/4722; BGBl 2001 Teil I Nr. 40, S. 1887), für eine Übergangszeit bis einschließlich 31.12.2006 ausgeschlossen. Der Übergangszeitraum wurde zunächst bis zum 1.1.2010 (BGBl 2006 Teil I Nr. 66, S. 3416) und sodann im Jahr 2009 bis zum 1.1.2020 verlängert (BGBl 2009 Teil I Nr. 50, vom 4.8.2009, S. 2449 ff.; zur Gesetzesbegründung siehe die Linksammlung unten). In der Folge sollte das Gesetz aufgehoben werden. Die Aufhebung trat jedoch nie in Kraft. Der Rechtszustand des § 26 Nr. 9 EGZPO in der Fassung vom 4.8.2009 gilt daher unverändert fort (vgl. Horndasch/Viefhues/Reinken, FamFG, § 70 Rn 19).

Zur Begründung wurde angeführt, dass der Ausschluss des Rechtsmittels eine Überlastung des Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegerichts verhindern sollte. Zudem sollte eine Gleichbehandlung aller Familiensachen gewährleistet werden. (Begründung BT-Drucksache 14/4722, S. 126).

Gestützt wurde diese Linie des Gesetzgebers durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8.1.2004 (Az.: 1 BvR 864/03 = NJW 2004, 1371) und des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 31.8.2005 (Az.: XII ZR 14/03 = FamRZ 2005, 1902).

Das BVerfG hatte erklärt, dass der Gleichheitsgrundsatz nur dann verletzt sei, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lasse. Dies mochte das BVerfG nach der gegebenen Situation nicht bejahen.

Sowohl für das BVerfG als auch für den BGH spielte die – befürchtete – Überlastung des BGH eine große Rolle. Bereits früher hatte das BVerfG Rechtsmitteleinschränkungen für verfassungskonform angesehen, "um das gebotene Ziel einer Vermeidung der Überlastung des Revisionsgerichts zu erreichen" (BVerfG FamRZ 1966, 89).

In der Entscheidung vom 31.8.2005 nahm der BGH auf diese Rechtsprechung Bezug und führte aus: "Die Übergangsregelung in § 26 Nr. 9 EGZPO kann für sich einen "einleuchtenden Grund" in Anspruch nehmen. Mit dieser Regelung soll – ausweislich der Begründung zu dieser Vorschrift – einer Überlastung des BGH entgegen gewirkt und eine Gleichbehandlung aller Familiensachen gewährleistet werden." (Az.: XII ZR 14/03 = FamRZ 2005, 1902, 1903).

Gleichwohl wird in den Entscheidungen des BVerfG und des BGH erklärt, dass es sich nur um eine Übergangsregelung handele (BVerfG Plenum, Beschl. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 = FamRZ 2003, 995, 996; BGH, Beschl. v. 31.8.2005 – XII ZR 14/03 = FamRZ 2005, 1902, 1903). Das Rechtsstaatsprinzip werde durch die Übergangsregelung nicht verletzt. Hieraus folge nämlich nicht, dass der Rechtsweg in allen Zweigen einen Instanzenzug habe, insbesondere stets das Rechtsmittel der Revision gegeben sein müsse.

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