Der Gesetzgeber sollte sich deshalb nicht scheuen, die gegenwärtige Regelung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Wie bereits ausgeführt, wäre es ohne erheblichen Aufwand möglich, auch innerhalb des Rahmens des FamFG speziell für Betreuungs-, Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen ein Rechtsmittel der weiteren Beschwerde vorzusehen und den Oberlandesgerichten zuzuweisen (ggf. mit der Möglichkeit der Konzentration für mehrere Bezirke bei einem bestimmten Oberlandesgericht, wie dies zuvor in Bayern für das damalige Bayerische Oberste Landesgericht bzw. ab 1.1.2005 für das OLG München vorgesehen war). Die in wenigen Fällen verbleibende Notwendigkeit einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Oberlandesgerichten könnte wie früher durch eine Divergenzvorlage zum BGH gewährleistet werden. Der Vorteil einer wesentlichen Entlastung des zuständigen Senats des Bundesgerichtshofs, der seine Arbeitskraft den wirklich wichtigen Fragen namentlich des Familienrechts widmen könnte, wäre verknüpft mit einer deutlichen Stärkung des Rechtsschutzes für die Betroffenen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren.

Freilich bedürfte es der erneuten Einrichtung bzw. Bestimmung von Senaten bei den Oberlandesgerichten, die zumindest teilweise auch mit der drittinstanzlichen Kontrolle von Betreuungs- und Unterbringungsverfahren zu befassen wären. Insoweit kann der Sachverstand, der bis 2009 bei den für solche Verfahren damals zuständigen Oberlandesgerichten vorhanden war, schon aus personellen Gründen nicht ohne Weiteres wieder reaktiviert werden, sondern müsste erneut aufgebaut werden. Allerdings ist anzumerken, dass die Oberlandesgerichte ohnehin dem Betreuungsrecht nicht vollständig entrückt sind, sondern nach wie vor zur Entscheidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen einzelnen Betreuungsgerichten berufen sind.[26]

Jedoch werden die Landesjustizverwaltungen und die Präsidenten der Oberlandesgerichte einen solchen Kurswechsel wegen der stellenmäßigen Auswirkungen nicht gerade aufgeschlossen begrüßen. Gleichwohl sollte der Gesetzgeber eine seinerzeit, im Überschwang der Reformeuphorie bei der Einführung des neuen Verfahrensrechts, nicht hinreichend durchdachte Entscheidung aufgrund der nunmehr ausreichend vorliegenden Erfahrungen überprüfen und auch mutig korrigieren, wenn sie sich tatsächlich nicht als der Weisheit letzter Schluss erwiesen hat. Dass eine solche Korrektur allerdings nur in einer grundsätzlichen Rückkehr zu dem früheren Rechtszustand bestehen kann und nicht etwa in dem gegenläufigen Schritt, die Rechtsbeschwerde zum BGH in den einschlägigen Verfahren einzuschränken und ebenfalls an eine Zulassung zu knüpfen, sollte im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit des betroffenen Personenkreises von vornherein keiner Diskussion bedürfen.

Autor: Prof. Dr. Bernhard Knittel , Vors. Richter am OLG a.D., Pullach

FF 7/2015, S. 281 - 285

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