Interview mit Prof. Dr. Winfried Bausback, MdL, Bayerischer Staatsminister der Justiz

Prof. Dr. Winfried Bausback

Schnitzler/FF: Sie haben sich im April 2014 in der FAZ zu einem Thema geäußert, das im vorigen Jahr schon Gegenstand einer Podiumsdiskussion mit Ihrer Vorgängerin Frau Dr. Merk war: Paralleljustiz und sogenannte Friedensrichter. Welche Erkenntnisse haben Sie über illegale Paralleljustiz, insbesondere im Zusammenhang mit Regelungen, die zwischen Eheleuten vor sog. Friedensrichtern über Unterhalt und Ehescheidungen abgeschlossen werden?

Bausback: "Paralleljustiz" ist "Schattenjustiz", die sich außerhalb staatlicher Strukturen bewegt. Grundentscheidungen unserer Verfassung werden in unerträglicher Weise ignoriert, wie insbesondere die Gleichbehandlung von Mann und Frau.

Paralleljustiz ist ein "Phänomen", das sich im Verborgenen abspielt. Selten wird offen darüber gesprochen. Es soll "niemanden etwas angehen", was hinter verschlossenen Türen passiert. Deshalb ist es kaum möglich, belastbares Zahlenmaterial zusammenzutragen. Einige Fälle sind bekannt, wir wissen aber auch, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.

Eines der größten Probleme, das die Paralleljustiz gerade im familienrechtlichen Bereich mit sich bringt, ist, dass häufig den Schwächeren – meist sind es die Frauen – ihre Rechte vorenthalten werden. Dabei brauchen doch die gerade den besonderen Schutz einer Rechtsordnung. Unkenntnis über die eigene rechtliche Situation wird ausgenutzt und Druck aufgebaut.

Eines ist natürlich klar: Eine religiöse Eheschließung für sich allein hat noch lange nichts mit rechtsstaatlich problematischer "Paralleljustiz" zu tun! Anders kann es aber zum Beispiel aussehen, wenn Frauen dazu gedrängt werden, ausschließlich eine "religiöse Ehe" einzugehen – und damit nicht die gesetzlichen Rechte wie Unterhaltsansprüche oder gesetzliches Erbrecht erhalten, die mit einer standesamtlichen Eheschließung verbunden wären.

Schnitzler/FF: Wie weit ist die vom bayerischen Justizministerium bereits Ende 2011 eingesetzte Arbeitsgruppe gekommen?

Bausback: Unser "Runder Tisch Paralleljustiz" hat seine Arbeit Anfang 2012 aufgenommen. Neben Vertretern der Justiz, anderer Ministerien und der Polizei haben sich dort Repräsentanten verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen und Akteure eingebracht – Angehörige verschiedener Kulturkreise genauso wie beispielsweise Islamwissenschaftler, der Kinderschutzbund oder Vertreter von Beratungsstellen für Menschen mit Migrationshintergrund. Der Austausch und die Diskussion miteinander haben schnell gezeigt: Maßgebliche Ursachen für die Entstehung von "Paralleljustiz" sind fehlendes Wissen über den deutschen Rechtsstaat und – daraus resultierend – mangelndes Vertrauen in die deutsche Rechtsordnung, Justiz und Polizei.

Am Runden Tisch wurde deshalb ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt:

Dazu gehören ganz besonders vertrauensbildende Maßnahmen: Wir gehen auf potentiell gefährdete Menschen zu und sprechen sie vor Ort an. Gleichzeitig suchen wir gezielt den Dialog mit Imamen und anderen religiösen Autoritätspersonen. Wir vermitteln ihnen – auch mit der Hilfe vieler Multiplikatoren – ganz gezielt Informationen über unser Rechtssystem und die Gefahren einer "Paralleljustiz". Beispielsweise wurde eine Broschüre mit dem Titel "So funktioniert die deutsche Rechtsordnung" herausgegeben, die sich ganz gezielt an potentiell Betroffene richtet und in verschiedenen Sprachen Fakten über unseren Rechtsstaat und wichtige Ansprechpartner zusammenfasst.

Zusätzlich zu diesen vertrauensbildenden Maßnahmen haben wir unsere bayerischen Richter und Staatsanwälte über das "Phänomen Paralleljustiz" informiert und entsprechend sensibilisiert. Mittlerweile gibt es beispielsweise bei allen drei Generalstaatsanwaltschaften Ansprechpartner für "Paralleljustiz". Darüber hinaus haben wir das Fortbildungsangebot um Veranstaltungen zur Interkulturellen Kommunikation erweitert.

Und auch über all diese Schritte hinaus müssen und werden wir an dem Thema dranbleiben: Denn wer "Paralleljustiz" verhindern und die dahinter stehenden Strukturen angehen will, der muss sich langfristig und intensiv damit beschäftigen.

Schnitzler/FF: Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD heißt es wörtlich: "Wir wollen das Rechtsprechungsmonopol des Staates stärken, illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden." Insofern handelt es sich ja um kein eigentliches Thema, was nur einen Landesjustizminister angeht, sondern um ein bundespolitisches Thema – im Prinzip ein Thema für die Justizministerkonferenz. Sehen Sie das auch so?

Bausback: Ganz genau. Der von Ihnen genannte Satz wurde gerade auch durch mein Engagement und das der Kollegen der Union aufgenommen. "Paralleljustiz" ist ein Thema, dessen wir nur alle gemeinsam Herr werden können. Betroffen ist nicht nur Bayern. "Paralleljustiz" gibt es – höchstwahrscheinlich sogar in größerem Umfang – zum Beispiel auch in Berlin, Essen und Bremen und vermutlich in noch vielen weiteren Städten in Deutschland. Um dageg...

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