Worin unterscheiden sich nun die beiden Methoden grundsätzlich?

Die Ertragswertmethode misst auf betriebswirtschaftliche Weise den wirklichen Wert, der einem Unternehmen innewohnt. Das ist der wirtschaftliche Wert des Unternehmens in seiner Gesamtheit, also aller materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter einschließlich eines Firmenwerts innerhalb des lebenden, fortgeführten Unternehmens. Das ist ein wirklicher und realer Wert, weil es den zukünftigen Gewinn wie einen Zins aus Kapital ansieht.

Ganz anders die Umsatzmethode. Diese Methode kann nicht zu einem objektiven Wert gelangen. Der Umsatz ohne die Betriebsausgaben sagt nichts über den zukünftigen Nutzen. Der Umsatz kann deshalb auch nicht der Zins irgendeines gedachten Vermögens sein. Der Umsatz hat für sich genommen keinen Wert. Trotzdem wird der Umsatz im Markt als Größe angesehen, anhand derer ein Kaufpreis ermittelt wird. Das gilt vor allem bei kleineren Betrieben, insbesondere bei Einzelpraxen. Hier sagt der Umsatz etwas aus über die Zahl der Krankenscheine oder Mandanten. Er sagt etwas aus über das Verhältnis von Kassenpatienten zu Privatpatienten. Er sagt etwas darüber aus, mit wie viel Aufträgen der neue Praxisinhaber rechnen kann, die er nicht erst selbst akquirieren muss. Dafür ist er bereit, etwas zu zahlen. Dafür bildet sich am Markt ein Preis. Der Preis wird in einem Vielfachen des Jahresumsatzes ausgedrückt. Wenn der Umsatz eine marktrelevante Größe ist, ist er auch im Zugewinnausgleich für die Bewertung der Praxis ein geeigneter Maßstab.

Auf diese Weise ist die Umsatzmethode ein Vergleichswert für den Zweck des Verkaufs der Praxis. Sie sagt nichts über den inneren Wert des Unternehmens. Hingegen findet die Ertragswertmethode den objektiven Wert. Der Unterschied kann plausibel gemacht werden durch einen Blick auf die Immobilienbewertung. Der Wert einer Wohnimmobilie kann ermittelt werden auf der Grundlage der Nettomiete (nach Abzug von Kosten). Das entspricht dem Ertragswertverfahren. Oder es wird aus dem Markt ein üblicher Preis für einen Quadratmeter Wohnfläche ermittelt; das ist ein Vergleichswertverfahren.

Beide Verfahren können bei ein und demselben Objekt zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.[9] Aber auch der Markt orientiert seine Preisbildung mal an dem einen, mal an dem anderen Verfahren. Die Bewertung zur Ermittlung des Zugewinns kann dementsprechend ebenfalls nicht sagen, der eine Wert sei immer der richtige und der andere der falsche. Die Entscheidung über die richtige Bewertungsmethode ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.

Beide Methoden haben ihre Vorzüge:

Die Umsatzmethode ist einfach. Sie löst auch auf einfache Weise das Problem der Doppelverwertung oder der Trennung von zukünftigem Arbeitserfolg und Ertrag eines vorhandenen Wertes. Die Umsatzmethode ermittelt einen Wert für Zwecke des Verkaufs der Praxis. Nach dem Verkauf ist der bisherige Inhaber dort zwangsläufig nicht mehr tätig. Der nach dem Umsatz gewonnene Wert besteht also losgelöst von der Tätigkeit des Inhabers. Es ist damit auch nicht notwendig – und nicht zulässig – einen individuellen Unternehmerlohn zu ermitteln und abzuziehen.

Die Ertragswertmethode ist komplizierter, führt deshalb aber auch zu wirklichkeitsnäheren Ergebnissen. Sie gibt den "richtigeren" Wert wieder. Denn im Zugewinnausgleich kommt es nicht auf einen fiktiven Preis bei einem gar nicht geplanten Verkauf an, sondern auf den Wert, den die Praxis für deren Inhaber hat. Die Ertragswertmethode ist auch allein geeignet, wenn die Praxis gar nicht verkäuflich ist und sich deshalb kein Marktpreis ergeben kann. Das trifft auf Anteile an größeren Sozietäten zu oder – um das hier schon anzudeuten – auf Notarpraxen.

[9] Peemöller/Piltz, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2002, Rn 4.1915.

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