Neben dem gesetzlichen Güterstand sollte daher als Ersatz für die angestaubte Gütergemeinschaft des BGB von 1900 ein konkurrierendes neues Modell angeboten werden, das dem gemeinschaftlichen Element während der Ehe stärker Rechnung trägt als die Zugewinngemeinschaft.[12] Eine solche "Weiterentwicklung" der Gütergemeinschaft würde allerdings voraussetzen, dass der Gesetzgeber den Ehepartnern Freiraum für eigenständige Dispositionen gewährt. Diese Möglichkeit ist grundsätzlich gegeben, weil auch die Gütergemeinschaft des geltenden Rechts Vermögensbestandteile kennt, die, wie das Vorbehalts- oder Eigengut, nicht gemeinschaftlich sind. Von einer Erweiterung des Bereichs des Eigenguts und einer Vergrößerung der Freiheit bei der Verwaltung ist es dann freilich nur ein kleiner Schritt zu einer neuen Form der Errungenschaftsgemeinschaft, die ähnlich wie die in Europa verbreiteten Güterstände der Errungenschaftsgemeinschaft[13] den Gedanken der Gemeinschaft während der Ehe stärker betont.[14]

Die Errungenschaftsgemeinschaft beruht – wie auch die Zugewinngemeinschaft – auf dem Gedanken, dass gemeinschaftliches Vermögen nur dasjenige sein soll, zu dessen Erwerb beide Ehepartner unmittelbar oder mittelbar beigetragen haben. Nach Maßgabe einer Errungenschaftsgemeinschaft fallen daher aber nicht nur (entsprechend dem Zugewinnausgleich) das Anfangsvermögen und das durch Schenkung oder Erbschaft erworbene Vermögen in das Eigengut eines Ehepartners, sondern auch Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Wertsteigerungen von Grundstücken. Die Errungenschaftsgemeinschaft entspricht damit zugleich jenen Forderungen zur Erweiterung des privilegierten Erwerbs, wie sie in Deutschland derzeit zu Recht nachdrücklich erhoben werden.[15]

Die Errungenschaftsgemeinschaft kann mit einer individualistischen Eheauffassung durchaus harmonieren, da bei der Verwaltung des Eigenguts dem anderen Ehepartner kein Mitspracherecht zusteht. Das Gesamtgut verwalten die Ehepartner freilich gemeinschaftlich, wobei "gemeinschaftliche Verwaltung" bei der neuen Errungenschaftsgemeinschaft keineswegs bedeutet, dass die Ehepartner – wie bei der deutschen Gütergemeinschaft – bei jeder Verwaltungsmaßnahme zusammenwirken müssen. Vielmehr gilt der Grundsatz der "konkurrierenden Verwaltung", wonach die Ehepartner nur im Bereich der "außergewöhnlichen Verwaltung" zu gemeinsamem Handeln verpflichtet sind.

Im Fall der Scheidung behält jeder Ehepartner sein Eigengut, nur das Gesamtgut wird geteilt. Im Grunde handelt es sich also um das gleiche Prinzip wie bei der Zugewinngemeinschaft, nur dass die Ermittlung des Zugewinns im gesetzlichen Güterstand oftmals erheblich komplizierter als die Aufteilung des Gesamtguts in der Errungenschaftsgemeinschaft ist. Diese Vorteile dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft die Teilung nicht immer ohne jede Berechnung erfolgen kann, etwa wenn bei der Auseinandersetzung Wertausgleichsansprüche erhoben werden. Auch können sich bei der Errungenschaftsgemeinschaft Haftungsfragen stellen, die in einer Zugewinngemeinschaft so nicht auftreten, aber lösbar sind.[16]

[12] Das entspricht auch den Forderungen der Arbeitsgruppe "Ehegüterrecht" (Leitung: Prof. Dr. Dauner-Lieb), die vom BMFSFJ initiiert wurde. Vgl. Meder/Dauner-Lieb, Reformthemen im gesetzlichen und vertraglichen Ehegüterrecht – Überblick über Handlungsfelder, in: Zeit für Verantwortung im Lebensverlauf – Politische und rechtliche Handlungsstrategien, Dokumentation der Tagung am 29.11.2010 im Deutschen Bundestag, Arbeitsgruppe Ehegüterrecht, hrsg. v. BMFSFJ (2011).
[13] Zu den unterschiedlichen Modellen der Teilhabe im europäischen Ehegüterrecht vgl. den gleichnamigen Beitrag von Pintens, in: Rollenleitbilder und -realitäten in Europa: Rechtliche, ökonomische und kulturelle Dimensionen, in: Dokumentation des Workshops, 20.–22.10.2008, hrsg. v. BMFSFJ (2009), S. 112; vgl. Pintens, ZEuP 2009, 268 mit einem Überblick über die Vielfalt der Ehegüterstände in Europa. – Für Reduzierung der Ehegüterstände in Europa auf einige wenige Grundtypen: Henrich, FamRZ 2002, 1521. Vgl. auch Martiny, Ein zusätzlicher Güterstand für Europa?, in: Hofer/Klippel/Walter (Hrsg.), Perspektiven des Familienrechts, Festschrift für Dieter Schwab (2005), S. 1189, 1201 ff.
[14] Ausführlich Möller, Die Gütergemeinschaft im Wandel der Gesellschaft (2010), S. 209 ff. mit Vorschlägen zur Optimierung durch Vergleich mit Errungenschaftsgemeinschaften in der EU; Mecke, AcP 211 (2011), 886, 889 ff., 917 ff. mit dem Vorschlag eines künftigen Wahlgüterstands der Errungenschaftsgemeinschaft nach einem modernen Typus konkurrierender Gesamtgutsverwaltung.
[15] Vgl. unten IV.1. (Fn 24, 25).
[16] Vgl. etwa die Vorschläge zur Beschränkung der Haftung von Möller, Die Gütergemeinschaft im Wandel der Gesellschaft (2010), S. 226 ff.

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